Was die Bundesregierung derzeit unter dem Begriff Bioökonomie verhandelt,
hat aus unserer Sicht das Potenzial, Menschen- und Sozialrechte weiter auszuhöhlen
und die Umweltzerstörung zu beschleunigen. Eine Wirtschaft, die verstärkt nachwachsende Rohstoffe einsetzt, kann nur dann nachhaltig sein, wenn dies mit einer sozial-ökologischen Transformation einhergeht.
Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen fordern deshalb von der Bundesregierung eine Neuausrichtung der nationalen und europäischen Bioökonomie-Strategien.
Mit der „Politikstrategie Bioökonomie“ und der „Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030“ hat die Bundes- regierung ihre Vorstellungen und Förderziele für eine Wirt- schaft festgelegt, die auf biologischen Rohstoffen basiert. Im Wesentlichen sollen demnach fossile Rohstoffe Eins-zu-Eins durch Biomasse ersetzt werden. Eine Abkehr vom energie- und rohstoffintensiven Wirtschaftsmodell ist nicht vorgesehen.
Bioökonomie muss ökologisch verantwortungsvoll und sozial gerecht sein
Wir wollen, dass sich grundsätzlich etwas ändert. Nach unserem Verständnis sollte die Ökonomie dem Aufbau einer sozial gerechten Gesellschaft dienen und dabei die ökologi- schen, planetaren Grenzen einhalten. Dazu bietet die Diskus- sion um Bioökonomie eine gute Möglichkeit. Nur wenn wir den Ressourcenverbrauch in allen Bereichen der Wirtschaft deutlich verringern, werden wir den Bedarf an biologischen Rohstoffen nachhaltig decken können − ohne Artenvielfalt und Weltklima weiter zu zerstören.
Der Import von Biomasse aus dem globalen Süden, der in vielen Bioökonomie-Szenarien ein Eckpfeiler der Rohstoffver- sorgung werden soll, ist hoch problematisch. Schon heute kann die industrielle Land- und Forstwirtschaft in den betroffenen Ländern dazu führen, dass Menschen vertrieben und ausge- beutet werden und Naturräume zerstört werden. Ein drama- tischer Anstieg der Nachfrage nach Biomasse würde diese Probleme weiter verschärfen. Daher brauchen wir wirksame Maßnahmen zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs sowie verpflichtende ökologische und soziale Standards.
Im Zentrum der bisherigen Forschungen und Strategien zur industriellen Bioökonomie stehen vor allem auch Verfahren der Gen- und Biotechnologie. Obwohl die deutsche Öffentlich- keit die gentechnische Veränderung von Tieren und Pflanzen aufgrund ihrer offensichtlichen Gefahren mehrheitlich
ablehnt 1, werden gentechnische Verfahren im Rahmen der Bioökonomie-Forschung mit öffentlichen Geldern gefördert .
Wie die Zukunft sozial gerecht und ökologisch nachhaltig gestaltet werden kann, hat die Weltgemeinschaft mit der Agenda 2030 und den daraus abgeleiteten Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs, Sustainable Development Goals) vereinbart. Jede Bioökonomie-Strategie muss sich daran orien- tieren und darf nicht hinter die Agenda 2030 zurückfallen.
Ohne demokratische Beteiligung keine gesellschaftliche Akzeptanz
Die deutsche Bioökonomie-Diskussion findet bislang weit- gehend in geschlossenen ExpertInnenzirkeln statt, die von Industrie, industrienaher Forschung und deren politischen Verbündeten dominiert werden. Wenn Bioökonomie zu einer relevanten Zukunftsstrategie werden soll, muss die Diskussion für BürgerInnen und zivilgesellschaftliche Organisationen geöffnet werden. Im stillen Kämmerlein über die nächste Stufe der industriellen Verwertung von Naturräumen und die Anwen- dung von Risikotechnologien wie der Gentechnik zu beraten, führt zu Vertrauensverlust bei den BürgerInnen. Eine Zukunfts- strategie wie die Bioökonomie wird nur dann in der Bevölkerung auf Akzeptanz stoßen, wenn die notwendige Transformation demokratisch legitimiert ist.
Die Diskussion eröffnet Chancen
Die Debatte, nach welchen Regeln eine Wirtschaft jenseits
der fossilen Rohstoffe funktionieren soll, ist sinnvoll und notwendig. Produkte aus biologischen Rohstoffen lassen sich im Grundsatz besser in natürliche Kreisläufe integrieren. Nicht zuletzt wird uns mit dieser Diskussion vor Augen geführt, dass unendliches Wirtschaftswachstum nicht vereinbar ist mit den Grenzen unseres Planeten.
Unsere Forderungen:
- Maßgebliche Anteile der milliardenschweren Forschungsgelder, die von der Bundesregierung voraussichtlich auch in Zukunft zur Förderung der Bioökonomie bereitgestellt werden 3, sollten zur Erforschung alterna- tiver Konzepte jenseits der industriellen Markt- und Verwertungslogik verwendet werden. Die Förderung sollte u.a. auf Strukturen für eine sozial-ökologische Transformation, Agrarökologie und weitere natur- verträgliche und sozial gerechte Konzepte abzielen.
- Damit Nachhaltigkeitsaspekte eine starke Berücksichtigung finden, sollte das Bundesumweltministerium (BMU) innerhalb der Bundesregierung gleichberechtigt an der Entwicklung der deutschen Bioökonomie beteiligt werden.
- Die Bioökonomie-Förderung sollte nicht dazu führen, dass gentechnische Verfahren wie die Grüne Gentechnik durch die Hintertür und mit öffent- lichen Mitteln vorangetrieben und eingeführt werden.
- Bioökonomie-Szenarien, die wesentlich auch auf den Import von Biomasse setzen, sollten grundsätzlich in Frage gestellt werden.
Hier die Erklärung als pdf herunterladen.
Kontakt:
Peter Gerhardt, denkhausbremen e. V.
+49 163 755 8366 / peter@denkhausbremen.de
Jonas Daldrup, denkhausbremen.e.V.
+49 421 3304 8381 / jonas@denkhausbremen.de
Josephine Koch , Forum Umwelt & Entwicklung
Tel. +49 30 678 1775 74 / Koch@forumue.de
Die Erklärung wurde initiiert vom “Aktionsforum Bioökonomie”.