Alle Artikel in: degrowth

denkhausbremen-Interviewheft zur Wachstumskritik in den Umweltverbänden

Die Umweltverbände sind in die Jahre gekommen. Nichtsdestotrotz gehören sie zu den mitgliederstärksten und am besten vernetzten Organisationen in Deutschland. Sind die Verbände aus der Zeit gefallen oder wichtiger denn je, damit unsere Gesellschaft zukunftsfähig wird? Was müssen sie tun, um wirkmächtig zu bleiben? Dazu ist denkhausbremen mit Aktivistinnen und Mitarbeiterinnen von BUND, Greenpeace, Konzeptwerk Neue Ökonomie, NABU, Naturfreunde und WWF ins Gespräch gekommen. Letztendlich lässt sich die Botschaft der Gespräche auf folgende Formel bringen: “Umweltverbände – raus aus der Komfortzone.” Das neue Heft zum Download: Bitte hier klicken.  

Andreas Siemoneit: Leistungsloses Einkommen abschaffen

Andreas Siemoneit ist Physiker und Wirtschaftsingenieur. Er arbeitet als Software-Architekt und Berater in Berlin. In einem privaten sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekt befasst er sich mit vermuteten „Wachstumszwängen“ und einer Anthropologie des ökonomischen und politischen Prozesses aus einer liberalen und marktfreundlichen Perspektive. Er ist Vorstandsmitglied und Geschäftsführer des Fördervereins Wachstumswende.   denkhausbremen: Warum sind so viele Menschen in der Wachstumslogik verhaftet? Andreas Siemoneit: Wachstum ist auf der persönlichen Ebene durchaus eine sinnvolle Strategie. Menschen, die mehr haben, können letztlich mehr machen und haben bessere Chancen im Leben und für ihre Kinder. Auch Unternehmen, die wachsen, stehen in der Regel besser da als Unternehmen, die nicht wachsen. Die Wachstumslogik ist also eine sehr attraktive Option. Auf Dauer ist jedoch Wachstum für alle nicht möglich. Ist der Förderverein Wachstumswende, in dem Sie sich im Vorstand engagieren, ein Frontalangriff auf diese Logik? Ja und nein. Wenige stellen in Frage, dass ein wirtschaftliches Wachstum, das auf hohem Ressourcenverbrauch basiert, so ewig weitergehen kann. Als politisches Ziel ist Wachstum jedoch immer noch stark präsent, da viele glauben, dass man nur über Wachstum soziale …

Clara Buer: „Grünes“ Wirtschaften rettet nicht den Planeten

denkhausbremen: Wie sind Sie zum professionellen Umweltschutz gekommen? Clara Buer: Als Schülerin habe ich Nachhilfe gegeben und eine meiner Nachhilfeschülerinnen war bei Greenpeace aktiv. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Greenpeace-Jugendgruppe in Münster zu gründen. Damals habe ich mich besonders mit dem Thema Atomkraft auseinandergesetzt, denn das Endlager Ahaus lag vor der Tür. Über die ganzen Jahre bin ich Greenpeace dann treu geblieben. Die Umweltverbände haben sich zunehmend professionalisiert. Manche werfen ihnen daher verkrustete Strukturen vor. Was sind da Ihre Erfahrungen? Klar gibt es einen Unterschied zwischen einem hauptamtlichen Arbeitsplatz und einem ehrenamtlichen Engagement an der Basis. Neben der Regelmäßigkeit eines „Montags-Freitags-Jobs“ kommen eine Professionalisierung dazu sowie mehr Zeit, weil der Lebensunterhalt nicht anders verdient werden muss. Auf der anderen Seite kann ich als Ehrenamtliche frei entscheiden, für welche Kampagne und Aktion ich meine Zeit verwende. Natürlich gibt es auch manchmal sehr feste Strukturen. Für mich persönlich steht das aber noch in einem gesunden Verhältnis. Nicht nur auf Greenpeace bezogen: Stellen die Umweltverbände nicht mehr die grundsätzlichen Machtfragen? Ich hatte zum Beispiel bei der …

Julika Tribukait: Globale Gerechtigkeit in den Fokus rücken

Julika Tribukait arbeitet für den WWF  als Projektkoordinatorin für Mangroven im Bereich Meeresschutz. Davor war sie in der Entwicklungszusammenarbeit und der Politikberatung im In- und Ausland beschäftigt und hat zu verschiedenen Umweltthemen wie Wasser und Abfall gearbeitet.   denkhausbremen: Wie sind Sie zum Umweltschutz und zu Ihrem Job beim WWF gekommen? Julika Tribukait: Ich habe Geografie studiert, wobei meine Herzensangelegenheit immer die Schnittstelle Mensch-Umwelt war. Danach war ich zunächst in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und habe mich bisher Umweltthemen aus der Entwicklungsperspektive genähert. Jetzt arbeite ich erstmalig für eine Umweltschutz-Organisation. In den Umweltverbänden steht die ökologische Perspektive im Vordergrund. Hier ist es wichtig die sozialen und entwicklungspolitischen Aspekte dennoch ausreichend mitzudenken. Belichtet die Umweltbewegung die Bereiche Menschenrechte und Soziales unter? Meiner Meinung nach sind Umweltfragen und soziale Fragen untrennbar miteinander verbunden. Früher vermittelten die Umweltverbände häufig das Bild, dass die Natur dann gut und geschützt sei, wenn der Mensch darin so wenig wie möglich vorkommt. Das kann aber kein langfristiger Ansatz sein. Dieses Bild ändert sich zunehmend und soziale Faktoren werden bei aktuellen Projekten viel stärker mitgedacht. …

Katharina Ebinger: Verbände raus aus der Komfortzone

Katharina Ebinger ist Vertreterin der BUNDjugend in der Wissenschaftskommission und der AG Suffizienz des BUND und Beisitzerin im BUND-Landesvorstand Baden-Württemberg. Sie studiert Politik, Verwaltung und internationale Beziehungen in Friedrichshafen am Bodensee. denkhausbremen: Die Umweltverbände haben sich professionalisiert, aus einer sozialen Bewegung sind festere Strukturen mit gut funktionierenden PR-Abteilungen geworden. Was halten Sie von dieser Entwicklung? Katharina Ebinger: Es kommt drauf an, wovon genau wir sprechen. Wenn wir unsere Zusammenarbeit und die Ansprüche, die wir an unsere Arbeit stellen, professionalisieren, dann finde ich das gut. In den Jugendverbänden versuchen wir immer wieder zu reflektieren, wie wir arbeiten und welche Strukturen und Methoden wir nutzen sollten. Statt purem Aktionismus auch diese Dinge im Kopf zu haben, halte ich für sehr wichtig. Professionalisierung kann aber auch bedeuten, dass Verbände weniger basisdemokratisch arbeiten und stattdessen immer mehr einer Stiftung oder Agentur ähnlich werden. Diese Entwicklung sehe ich kritisch, da eine intransparente und hierarchische Art zu arbeiten tendenziell den Regeln des bestehenden Systems folgt und so systemerhaltend wirkt. Damit kommen wir an die Symptome der Probleme vielleicht heran, gehen aber …

Julia Balz: Naturschutz und Wachstum hängen zusammen

Julia Balz ist Referentin für Strategische Planung Umweltpolitik und Nachhaltigkeit beim NABU Bundesverband. denkhausbremen: Die großen Umweltverbände haben sich über die Jahre immer weiter professionalisiert und feste Strukturen entwickelt. Sie sind bereits längere Zeit hauptamtlich für den NABU tätig. Welche Veränderungen haben Sie in dieser Zeit wahrgenommen? Julia Balz: Der NABU ist in den letzten Jahren, die ich dort beschäftigt bin, sehr gewachsen. Das betrifft die Zahl der Mitglieder und Förderer, aber auch der Mitarbeitenden, auch im Fachbereich Naturschutz und Umweltpolitik, in dem ich tätig bin. Dazu habe ich den Eindruck, dass bestimmte gesellschaftliche Themen heute eine größere Rolle spielen. Diskussionen um Postwachstum und sozial-ökologische Transformation stehen in den letzten Jahren neben klassischem Naturschutz auch auf der Agenda. Die Beschäftigung mit diesen Themenfeldern nimmt zu, beim NABU wie auch in der gesamten Umweltszene. Da liegt etwas in der Luft. Können Sie das konkret an etwas festmachen? Gibt es Projekte in diese Richtung? Das fängt mit Türgesprächen zwischen Kolleg*innen an. Teilweise bringen unsere jüngeren Referent*innen diese Ansätze direkt von der Uni mit. Sie werden aber auch …

Larissa Donges: Jugendverbände können Stachel im Fleisch sein

Larissa Donges ist Bildungsreferentin für Umwelt und Nachhaltigkeit in der Bundesgeschäftsstelle der Naturfreundejugend Deutschlands. In Potsdam hat sie ehrenamtlich einen Gemeinschaftsgarten mitgegründet, in dem sozial-ökologische Transformation für sie beim Gärtnern und Imkern ganz praktisch erlebbar wird. denkhausbremen: Die Umweltverbände haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte professionalisiert und feste Strukturen entwickelt. Wie ist das zu beurteilen? Larissa Donges: Das hat Vor- und Nachteile. Je professioneller und größer Institutionen oder Verbände werden, umso starrer können sie auch werden. Festgelegte Abläufe können natürlich eine Arbeitserleichterung sein und Professionalität bringt oft größere Sichtbarkeit, dafür laufen Prozesse aber auch langsamer und weniger spontan. Man kann nicht mehr ohne große Abstimmung auf Themen reagieren. Ein Teil der Professionalisierung besteht auch darin, dass die Umweltverbände sich auf ihr gesellschaftliches Klientel und die Medien eingespielt haben. Sie suchen pragmatisch gemeinsam mit Unternehmen nach Lösungen. Fällt so nicht grundsätzliche Systemkritik hintenüber? Es arbeiten zwar nicht alle Umweltverbände mit Unternehmen zusammen. Aber es braucht aufgrund der vielen Erwartungshaltungen an die Umweltverbände immer mehr Mut, um unbequeme Fragen zu stellen. Das passiert dann, zumindest im …

Nina Treu: Die Degrowth-Bewegung ist fast noch gar nicht institutionalisiert

Nina Treu ist Mitbegründerin des Konzeptwerk Neue Ökonomie in Leipzig und koordiniert aktuell die Degrowth-Sommerschule 2018.  denkhausbremen: Die Umweltverbände blicken auf eine lange Verbandsgeschichte zurück und haben sich zunehmend professionalisiert. Wie schätzt Du die Umweltbewegung ein? Nina Treu: Aus meiner Sicht sind die großen Umweltverbände immer noch relevante Player. Sie setzen u.a. noch zahlreiche Dinge im Bereich Umweltbildung- und -gesetzgebung um, die man nicht unterschätzen sollte. Sie sollten jedoch darauf achten, dass sie nicht zu systemimmanent und reformerisch werden. Sie sollten Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch sehen, sondern Soziales und Ökologisches zusammen denken. Wie sieht das denn in der Postwachstumsbewegung aus? Gibt es hier nicht auch schon Machtstrukturen und Alphatiere? Zunächst ist die Frage, von wem man spricht. Die Umweltverbände lassen sich leicht einrahmen, bei der Degrowth-Bewegung ist das viel schwieriger. Einzelpersonen, die unter dem Label Postwachstum auftreten, kann man daher nicht mit offiziellen Sprecher*innen von Umweltverbänden vergleichen. Meiner Meinung ist die Degrowth-Bewegung fast noch gar nicht institutionalisiert. Das Konzeptwerk macht zwar viele Projekte im Bereich Degrowth. Die Ausgestaltung der Projekte verläuft jedoch sehr basisdemokratisch. Die …

Degrowth und Mobilität

Unter der Fragestellung “Wie wird sich unsere Mobilität verändern und was bedeutet das für die Beschäftigten im Automobilsektor?” hatte denkhausbremen am 16. November 2017 in die Bremer Bürgerschaft geladen. Verkehrsforscher Helmut Holzapfel vom Zentrum für Mobilitätskultur Kassel diskutierte mit Elke Tönjes-Werner, stellv. Betriebsratsvorsitzende der Mercedes-Benz-Werke in Bremen. Der Diskussionsabend fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Arbeit ohne Wachstum?” statt, die gemeinsam mit Arbeitnehmerkammer Bremen und Hochschule Bremen durchgeführt wird. “Für die Umwelt und die Menschen in den Städten kommt es schlicht darauf an, dass insgesamt weniger Autos auf den Straßen fahren”, betonte Helmut Holzapfel. Er machte deutlich, dass viele Umweltfolgen auch mit Elektroautos bestehen bleiben. So entstünden 80 bis 90 Prozent des Feinstaubs im Straßenverkehr nicht durch die Motoren, sondern durch den Abrieb von Bremsen und Reifen. Zudem nehmen Gewicht und Größe von Autos derzeit mit jedem neuen Modell zu. Fortschritte bei der Effizienz würden so stets wieder zunichte gemacht. Ein zukunftsfähiger Ansatz für die etablierten Automobilkonzerne sei das Anbieten von Mobilitäts-Services als neues Geschäftsmodell. Holzapfel entwirft eine andere Art urbaner Mobilität: Mit Hilfe weitsichtiger Stadtplanung …