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Bioökonomie: Zwischen Hoffnung und Realität

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Die Zukunft der Wirtschaft ist Bio! Zumindest, wenn man den Versprechungen der Bioökonomie Glauben schenken möchte. Der Klimawandel zwingt uns dazu, die Nutzung fossiler Rohstoffe schon in wenigen Jahrzehnten einzustellen, mineralische Ressourcen sind nur begrenzt verfügbar. Ihre Gewinnung ist energieaufwändig und geht mit der Zerstörung von Biodiversität und Landschaft einher. Daher wird die Wirtschaft der Zukunft vor allem mit biogenen Rohstoffen befeuert werden.

Der Haken an der Sache: Die Ökosysteme, aus denen diese Rohstoffe kommen sollen, sind schon heute dramatisch übernutzt. Zudem schränken Klimawandel und notwendige Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität die ohnehin knappe nachhaltig nutzbare Biomasse in einem erheblichen Umfang ein. Es ist also absehbar, dass Äcker, Wälder und Meere nicht genug Rohstoffe für eine Bioökonomie liefern können, um unser hohes Konsumniveau abzudecken.

Doch Politik, Wissenschaft und Industrie haben scheinbar eine Lösung gefunden: Neben einer deutlichen Verringerung unseres Ressourcenverbrauchs soll die nachhaltige Bioökonomie auf weitere Rohstoffsäulen aufbauen. Große Industrieunternehmen und Think Tanks gehen davon aus, dass die Ressourcenbasis der Zukunft dreigeteilt sein wird: Neben der Anbau-Biomasse werden vor allem Abfall- und Reststoffe sowie direkt der Atmosphäre entzogener Kohlenstoff als wesentliche Quellen ins Spiel gebracht.

Doch so einfach ist die Sache leider auch hier nicht: Abfall- und Reststoffe werden mittlerweile in vielen Wirtschaftsbereichen eingesetzt und sind ein knappes Gut, um das es einen regen Wettbewerb gibt. Zum anderen kann der Begriff in die Irre führen. In der Landnutzung finden “Reststoffe” wie Stroh vielfach Verwendung – sie sind also längst Rohstoff. In der naturnahen Waldbewirtschaftung werden “Waldresthölzer” im Wald belassen und sind Teil des ökologischen Kreislaufs. Demnach wird schnell klar, dass dieses Rohstoff-Segment sicherlich nur überschaubare Mengen an Biomasse für die Bioökonomie zur Verfügung stellen kann.

Das Potential für aus der Luft gefilterten Kohlenstoff ist in absehbarer Zukunft ebenfalls ernüchternd. Immerhin: Was vor einigen Jahren noch nach Science Fiction geklungen hätte – CO2 als Rohstoff in sogenannten Direct-air-capture-Verfahren aus der Luft zu filtern – gibt es mittlerweile tatsächlich. Allerdings befinden sich solche Anlagen noch im Versuchsstadium und scheinen meilenweit von der breiten Anwendung in der Praxis entfernt. Zudem sind sie teuer und mit einem hohen Energieund Ressourcenaufwand verbunden. Ob sie einen Beitrag leisten können, unsere Klimaziele zu erreichen, ist mehr als fraglich. Nichtsdestotrotz sehen positive Voraussagen hier eine wichtige Kohlenstoffquelle für die Wirtschaft der Zukunft.

Ob Abfälle sowie Kohlenstoff aus der Luft eine relevante Rohstoffquelle für die Zukunft sind oder die nächste Sackgasse der Industriepolitik – dieser Frage wollen wir uns in der vorliegenden Broschüre nähern.