Konferenz von denkhausbremen im Theater der Shakespeare Company bringt Menschen aus vielen Ecken der Gesellschaft zusammen
Dass die Gesellschaft in unterschiedliche Wahrheiten und Lebenswelten zerfällt, ist keine besonders originelle Analyse der Lage – eher schon ein Allgemeinplatz. Jede Filterblase scheint mittlerweile ihre eigene Wahrheits-Insel zu bewohnen. Die gilt insbesondere auch bei wichtigen Zukunftsdebatten wie Klimaschutz, Gesundheit, Wohnen oder der Suche nach einem gerechten Steuersystem.
Dabei werden die Diskurse von den Teilen der Gesellschaft dominiert, die über Ressourcen, Netzwerke und Macht verfügen. Menschen mit wenig Geld kommen dabei allenfalls am Rande von Debatten vor, wenn überhaupt wird über sie anstatt mit ihnen geredet. Anders ist es nicht zu erklären, dass beim Klimaschutz Ausgleichszahlungen für die CO2-Bepreisung auf sich warten lassen, Privatpatient*innen sich noch immer über Vorteile der Zweiklassenmedizin erfreuen können, Wohnraum in Ballungsgebieten immer teurer wird und eine Erbschaftssteuer von einer gut organisierten Lobby stets aufs Neue verhindert worden ist. Extreme Ungleichheit ist ein extremes Problem.
Viele gute Gründe also, um auf der Konferenz von denkhausbremen über eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Zukunft für alle ins Gespräch zukommen. Eine Teilnehmerin brachte auf den Punkt, was dabei besonders war:
“Eine außergewöhnlich bunte Gästemischung aus vielen Ecken der Gesellschaft”. Dabei kamen von gesellschaftlichen Schieflagen Betroffene und Aktivist*innen für eine gerechte Gesellschaft aus dem ganzen Bundesgebiet mit Fachleuten aus Politik, Wissenschaft und Verbänden der Zivilgesellschaft zusammen.
Ein derart vielfältig und mit ca. 100 Menschen gut besetztes Zusammentreffen ist an sich schon eine gute Nachricht. Darüber hinaus war die Konferenz aber auch von vielen nach vorne gerichteten Diskussionen quer zu den üblichen Milieus geprägt.
Besonders positiv war aus Sicht von denkhausbremen, dass sich so viele langjährige Projektpartner aus den Reihen der “Zukunftslabore von unten” auf den Weg nach Bremen gemacht hatten. Für uns ist das ein Zeichen dafür, dass sich hier mit der Zeit vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehungen etabliert haben.
Eine Konferenz kann sicher nicht die politische Großwetterlage auf links drehen. Aber von jeder ernsthaften Debatte geht eine verändernde Kraft aus. Und diese soll jetzt auch genutzt werden: Damit die vielen guten Gedanken nicht verpuffen, werden die Konferenz-Ergebnisse jetzt in ein Forderungspapier für eine bundespolitische Debatte gegossen. Bundestag, wir kommen.
Berichte aus den Workshops:
Umverteilung und Steuergerechtigkeit
Wer hat, der gibt? Leider nicht. Unsere Gesellschaft driftet auseinander. Armut wird vererbt, ein chronisch unterfinanzierter Staat zieht sich immer mehr aus der öffentlichen Daseinsvorsorge zurück und die von der Schlossallee drücken sich vor der Solidarität.
So die Ausgangslage bei unserem Workshop zu Umverteilung und Steuergerechtigkeit für 25 Studierende, Wohnungslose, Geringverdiener*innen, Bezieher*innen von Lohnersatzleistungen, Professor*innen und unsere Referenten: Daniel Mittler von der Bürgerbewegung “Finanzwende” und Manuel Schmitt von Oxfam Deutschland e.V.. Gemeinsam wurde eine ganze Liste an Möglichkeiten erstellt, um Einnahmen für den Staat zu generieren. Kapitalerträge besteuern, Finanzkriminalität bekämpfen, eine Vermögenssteuer einführen, aber auch eine Kerosinsteuer erheben und das Dienstwagenprivileg abschaffen. Besonders einig waren sich aber alle darüber, dass effektive Umverteilung nur mit einer wirkmächtigen Erbschaftssteuer funktioniert. Bislang ist es den Reichen dank einer gut geschmierten Lobby und den entsprechenden politischen Handlangern immer noch gelungen, eine wirksame Besteuerung großer Vermögen trickreich zu verhindern.
Klimaschutz für alle
Menschen mit wenig Geld sind kaum für die Klimakrise verantwortlich, während ein Großteil der ökologischen Zerstörung von einem kleinen, wohlhabenden Teil der Bevölkerung ausgeht.
Damit war der Rahmen für den Workshop mit Wissenschaftlerin Katharina Bohnenberger und Stefan Engels vom Café Fifty e.V. schon gesetzt.
Die zentrale Frage dabei: Wie geht nun also Klimaschutz für alle? Die Teilnehmer*innen waren sich einig, dass die Kosten für Klimaschutz auf keinen Fall an denen hängen bleiben dürfen, die ohnehin schon wenig haben – bestenfalls soll sich deren Situation durch klima-soziale Maßnahmen sogar verbessern. Dementsprechend schlugen sie u.a. gratis Solarmodule für Empfänger*innen von Transferleistungen sowie ticketlosen ÖPNV vor, um Klimaschutz für alle zugänglich zu machen. Ein weiterer wichtiger Vorschlag war, dass eine CO2 Steuer nur mit einem ausgleichenden Klimageld eingeführt werden sollte. Im Grunde sollte es auch um eine Stadt- und Raumplanung gehen, die den Bürger*innen, unabhängig von Ihrem Einkommen, eine klimafreundliche Lebensweise erst ermöglicht.
Recht auf Wohnen
Wohnen ist zwar ein Menschenrecht, aber zugleich eine Ware – und bei Waren geht es um Rendite und Profite! Und das macht es sehr schwer, das Menschenrecht auf Wohnen durchzusetzen, geschweige denn in diesem Themenfeld auch noch den Klimaschutz sozial gerecht umzusetzen.
Darüber machte sich die Arbeitsgruppe unter der Moderation von Joachim Barloschky vom Bremer Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen Gedanken. Augenfällig war dabei die überaus bunte Zusammensetzung der Runde. Teilnehmer*innen mit Erfahrung in Wohnungslosigkeit, saßen hier neben Studis und Engagierten aus Initiativen zusammen. Statements der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen (Dirk Dymarski) sowie der Wohnungslosenstiftung (Stefan Schneider) führten in das Thema ein. Viel Kritik gab es an der Profitökonomie und damit auf der Systemebene. Darüber hinaus aber auch jede Menge Praktisches und Konkretes: Das Recht auf Wohnen muss ins Grundgesetz, Wohnkosten dürfen nicht mehr als 30% des Nettoeinkommens betragen, Erbpacht statt Ausverkauf von öffentlichem Eigentum an Gebäuden und Grundstücken und empfindliche Bußgelder für spekulativen Leerstand. Gleichzeitig braucht es einen radikalen Ausbau von Unterstützung für Wohnungslose, allen voran des erfolgreichen Konzepts “Housing First”.[/two_columns_one]
Armut macht krank
Krankheit ist ein Armutsrisiko, gleichzeitig haben armutsbetroffene Menschen häufiger Gesundheitsprobleme und eine kürzere Lebenserwartung.
Im Workshop zu Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit kamen Fachleute aus Gesundheitsberufen, Behörden, sozialen Diensten und politischen Organisationen sowie Menschen mit unterschiedlichster eigener Betroffenheit zusammen. Nach Impulsvorträgen von Gerhard Trabert – Armut und Gesundheit in Deutschland , Erika Biehn – Verband alleinerziehender Mütter und Väter sowie Alexander Ahrens – Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben wurde deutlich: Ungleichheit im Gesundheitssystem hat viele Gesichter und manche Gruppen wie z.B. Menschen mit Beeinträchtigung und Asylsuchende sind hier besonders benachteiligt. Darüber hinaus wurde klar, dass Gesundheit über das medizinische System hinausgeht und als Grundlage eine solidarische, diskriminierungsfreie Gesellschaft benötigt. Dazu zählen soziale Sicherungssysteme, die diesen Namen auch verdienen, verbunden mit einer Umverteilung von Reichtum und Ressourcen. Die Teilnehmer*innen schnürten ein Paket mit praxisnahen Maßnahmen: Bessere Transferleistungen mit einfachem Zugang, barrierefreie Gesundheitseinrichtungen, sowie eine diskriminierungsfreie Sprache. Begriffe wie “sozial schwach” für Menschen mit wenig Geld sollten aus dem Sprachgebrauch entfernt werden.
Die Konferenz in Bildern