Sind Umweltverbände und Klimabewegung auf dem sozialen Auge blind? Oder etwas weniger konfrontativ gefragt: Könnte es sein, dass die Umweltbewegung erfolgreicher wäre, wenn sie besser in der Bevölkerung verankert wäre und soziale Gerechtigkeit dabei eine zentrale Rolle spielen würde? Genau darum ging’s bei der „Butter bei die Fische“-Tagung von denkhausbremen. Die Ausgangsthese: Grüne Öko-Projekte erreichen nur dann genug Schwerkraft, um dauerhaft erfolgreich zu sein, wenn Lasten und Nutzen fair verteilt sind – und wenn auch die Lebenswirklichkeit des privilegierten Teils der Bevölkerung beeinträchtigt wird.
Das Besondere an der Veranstaltung in Berlin-Mitte: Da saßen Leute auf dem Podium, die sonst eher nicht bei den üblichen Berlin-Mitte-Runden am Start sind. Zum Beispiel Engagierte und Lokalpolitiker*innen aus der Uckermark, die ganz konkret an der Energiewende vor Ort arbeiten – und dabei mitten in den Auseinandersetzungen rund um Windräder und Solarfelder stehen. Oder Aktivistinnen aus Bremen, die sich für bezahlbaren Wohnraum starkmachen und für Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben.
Vorausgegangen waren intensive Debatten in Bremen mit dem Aktionsbündnis „Menschenrecht auf Wohnen“ sowie in Brandenburg mit der Bürgerstiftung Barnim Uckermark. Die Gespräche aus dem „Gasthof zum Schwarzen Adler“ wurden dann in Berlin zusammengeführt, gespiegelt, weitergedreht – und gemeinsam mit Fachleuten aus Umweltverbänden, dem Umweltbundesamt und der Forschung unter die Lupe genommen. Die zentrale Frage dabei: Wie gelingt ökologischer Wandel, ohne dass die soziale Frage unter die Räder kommt?
Selbstreflexion tut immer gut
Die großen deutschen Umweltverbände sind erfolgreich – und wachsen weiter. Das zeigen nicht zuletzt die steigenden Mitgliederzahlen und die wachsenden Spendensummen. Gleichzeitig lässt sich aber auch nicht wegreden: Klima- und Umweltschutz sind in der Bundespolitik längst nicht mehr Top-Thema.
Deshalb war die Tagung auch ein Blick in den eigenen Spiegel: Wie kann die Performance der Umweltbewegung besser werden – gerade jetzt, wo die politische Großwetterlage alles andere als grün aussieht? Ein Ergebnis: Wir brauchen demokratisch legitimierte Ordnungspolitik mit klaren Regeln für alle – statt Umweltpolitik übers Portemonnaie. Anstatt sich über die nächste Billigflugreise der anderen zu empören, wäre ein klares Verbot für Flüge unter 1.000 Kilometern für alle eine faire und wirksame Ansage.
Denn was passiert, wenn große Teile der Bevölkerung sich vom Wandel überfordert oder von einer vermeintlichen Elite bevormundet fühlen, sehen wir beim Erstarken rechter Bewegungen – bei uns und in den europäischen Nachbarländern. Und von der anderen Seite des Atlantiks grüßt Donald Trump – der den Frust der Abgehängten gnadenlos für seine demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Ziele ausschlachtet.
Impulse von außen sind notwendig
Dass es wichtig ist, nicht nur im eigenen Saft zu schmoren, ist eine Binsenweisheit.
Aber angesichts der starken Fliehkräfte, die unsere Gesellschaft gerade zerlegen – in lauter Paralleluniversen, in ideologische Echokammern, in abgeschottete Lebensrealitäten – ist es vielleicht mehr als das: ein Rezept, um überhaupt noch anschlussfähig zu bleiben.
Das wurde auch in den Beiträgen unserer Gäste aus Bremen und der Uckermark deutlich. Klimasanierungen sind wichtig – können aber für Mieter*innen mit wenig Geld zur Katastrophe werden. Wer in Verbänden lautstark energetische Sanierungen fordert, sollte deshalb immer auch die Modernisierungspauschale im Blick haben – und deren Absenkung gleich mitfordern. Das Thema ist aber angekommen – und Umweltverbände suchen inzwischen bewusst den Schulterschluss mit Akteuren aus der sozialen Arbeit und der Mieterbewegung.
Auch die Konflikte rund um Windräder sind aus Sicht vieler Städter*innen oft weit weg – solange der Strom zuverlässig aus der Steckdose kommt. Und der Ruf nach Bürgerenergiegenossenschaften klingt in einer Region wie der Uckermark erstmal gut – scheitert aber oft daran, dass dort kaum jemand eine Schubkarre voller Geld im Keller stehen hat, um mal eben Anteile zu zeichnen.
Aber: Es tut sich was. Es gibt erste Modelle, wie Beteiligung auch mit kleinem Geldbeutel funktionieren kann – und genau solche Ansätze brauchen Rückenwind, wenn die Energiewende wirklich von allen getragen werden soll.
Nicht Schweinchen Schlau sein
„Wir müssen a) die Anderen mitnehmen, b) unsere Arbeit besser erklären oder c) die Leute da abholen, wo sie sind.“ Das sind so mögliche Standardantworten aus dem Maschinenraum der Verbände, wenn gefragt wird, warum Klima- und Umweltschutz gerade nicht besonders populär sind. Was oft als etwas unbeholfene Formulierung durchgewunken wird, könnte aber auch auf ein tiefer sitzendes Problem hinweisen: die Haltung, dass man selbst schon weiß, wo’s langgeht – während der Rest noch im Dunkeln tappt und erstmal an die Hand genommen werden muss.
Nur: Besserwisser waren schon in der Schule nicht besonders beliebt. Trotzdem ziehen viele Umweltbewegte weiterhin mit dem Ich-habs-kapiert-Gestus durchs Land. Klar, das liegt in der Natur der Sache – sie wollen schließlich was verändern am Status quo. Und wer in Medien und auf Social Media gehört werden will, muss oft im Duktus des souverän Wissenden auftreten. Aber vielleicht wäre es ebenfalls lohnenswert, wirklich ins Gespräch zu kommen – mit den Menschen jenseits der eigenen Blase. Und offen dafür zu sein, dass auch die eigenen Forderungen mal hinterfragt oder angepasst werden können. Die Gespräche bei der Tagung waren dafür ein gutes Beispiel. Nicht alles glatt, nicht immer Konsens – aber mit echtem Interesse an der Sicht der anderen.
Und jetzt?
Der in Berlin angestoßene Dialog zwischen Umweltverbänden, Bewegungen aus dem ländlichen Brandenburg und den Miet-Silos in Bremen ist noch lange nicht am Ende.
Einhellig war die Meinung: Das muss weitergehen. Solche Orte der Debatte tun den Verbänden gut. Selbstkritik und Reflexion sind kein Zeichen von Schwäche – im Gegenteil. Nur wer seine Argumente im Gespräch mit anderen geschärft, geprüft und im Zweifel auch mal angepasst hat, kann kraftvoll vor die Tür treten – für ein besseres Morgen.
Die Autor*innen dieser Zeilen von denkhausbremen verstehen sich selbst als Teil der Umweltbewegung – und ja, wir haben oft mehr Fragen als Antworten. Aber eines wollen wir ganz sicher nicht sein: Schweinchen Schlau.
Fotos: Jakob Hilpert
Fotos: Jakob Hilpert