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Julika Tribukait: Globale Gerechtigkeit in den Fokus rücken

Julika Tribukait arbeitet für den WWF  als Projektkoordinatorin für Mangroven im Bereich Meeresschutz. Davor war sie in der Entwicklungszusammenarbeit und der Politikberatung im In- und Ausland beschäftigt und hat zu verschiedenen Umweltthemen wie Wasser und Abfall gearbeitet.

 

denkhausbremen: Wie sind Sie zum Umweltschutz und zu Ihrem Job beim WWF gekommen?

Julika Tribukait: Ich habe Geografie studiert, wobei meine Herzensangelegenheit immer die Schnittstelle Mensch-Umwelt war. Danach war ich zunächst in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und habe mich bisher Umweltthemen aus der Entwicklungsperspektive genähert. Jetzt arbeite ich erstmalig für eine Umweltschutz-Organisation. In den Umweltverbänden steht die ökologische Perspektive im Vordergrund. Hier ist es wichtig die sozialen und entwicklungspolitischen Aspekte dennoch ausreichend mitzudenken.

Belichtet die Umweltbewegung die Bereiche Menschenrechte und Soziales unter?

Meiner Meinung nach sind Umweltfragen und soziale Fragen untrennbar miteinander verbunden. Früher vermittelten die Umweltverbände häufig das Bild, dass die Natur dann gut und geschützt sei, wenn der Mensch darin so wenig wie möglich vorkommt. Das kann aber kein langfristiger Ansatz sein. Dieses Bild ändert sich zunehmend und soziale Faktoren werden bei aktuellen Projekten viel stärker mitgedacht. Gleichzeitig hat die Umweltbewegung damit zu kämpfen, entsprechende Forderungen sichtbar werden zu lassen und hier gehört zu werden. Die Gesellschaft erwartet von den Umweltverbänden immer noch hauptsächlich Antworten auf Umweltfragen. Grundsätzlich glaube ich, dass Umwelt- und Entwicklungsverbände stärker voneinander lernen und enger zusammenarbeiten sollten.

Haben Sie aus Ihrer praktischen Arbeit ein Beispiel, was sich dort aktuell in diese Richtung ändert?

Das ist ein zentraler Aspekt meines Jobs. Ich koordiniere beim WWF eine internationale Initiative zum Mangrovenschutz. Die Initiative wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Dadurch ist der entwicklungspolitische Fokus eine Grundvoraussetzung. Darüber hinaus besteht beim WWF Einigkeit darüber, dass ein verbesserter Schutz der Mangroven nur gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung erreicht werden kann. Die Mangroven sind nämlich eine wichtige Ressource für die Menschen vor Ort.

Glauben Sie, dass in der wachstumskritischen Bewegung Themen diskutiert werden, die auch für die Umweltverbände relevant sein können?

Absolut! Degrowth-Konzepte stellen allerdings häufig die Systemfrage und sind in der Regel mit Verzicht bzw. Reduktion verbunden. Solche Modelle sind in der Kommunikation für die Umweltverbände schwierig. Trotzdem muss Wachstumskritik nach meiner Einschätzung eine größere Rolle spielen, da wir auf dieser Erde nunmal mit begrenzten Ressourcen agieren. Wichtig ist, wie das kommuniziert wird: Wie kommt man von dem schlechten Image des Verzichts weg? Wie kann man einen gesellschaftliche Konsens finden, wie mit begrenzten Ressourcen umgegangen werden kann? Für mich spielen geschlossene Kreisläufe und gerechtere Verteilung dabei eine zentrale Rolle. Hierzu gibt es bereits Ansätze in der Umweltbewegung, die keinerlei Widerspruch zu Postwachstumstheorien darstellen.

Haben die Umweltverbände nicht auch deswegen Probleme mit dem Thema Degrowth, weil ihre Mitglieder und Spender*innen aus dem wohlhabenden Teil der Bevölkerung kommen?

Das spielt sicherlich eine Rolle, obwohl viele Unterstützer*innen der Umweltbewegung ihren eigenen Konsum schon kritisch hinterfragen und auch bereit sind, sich einzuschränken. Man kann jedoch nicht von jedem einzelnen erwarten, dass er in allen Lebensbereichen zu 100 Prozent umweltbewusst agiert. Das liegt auch daran, dass die Informationslage – auch für mich als Verbraucherin – sehr komplex geworden ist. Ich stehe im Supermarkt vor dem Obst- und Gemüseregal und stelle mir zum Beispiel die Frage: „Wie ist jetzt die Gesamt-Energiebilanz eines Apfels aus einem europäischen Nachbarland im Vergleich zu einem heimischen Apfel, der lange gekühlt wird?“

Braucht es hier nicht auch eine staatliche Regulierung durch klare Regeln und Gesetze?

Auf jeden Fall. Es gibt unterschiedliche Wege den notwendigen Wandel unserer Wirtschaftsweise zu erreichen, so z.B. auch durch die Kooperation mit privatwirtschaftlichen Akteuren. Der WWF ist für seinen kooperativen Ansatz bekannt und muss dafür auch oft Kritik einstecken. Innerhalb der bestehenden Strukturen halte ich die Zusammenarbeit mit Unternehmen jedoch für eine wichtige Säule. Wenn Umweltverbände Missstände der Wirtschaftsweise öffentlich anprangern, dann sollten sie den wirtschaftlichen Akteuren auch eine wirksame Hilfestellung in Richtung Nachhaltigkeit anbieten. Allerdings gerät meiner Meinung nach in aktuellen Debatten der Umwelt- und Entwicklungsarbeit die Rolle des Staates, der reguliert und regelt, zu sehr ins Hintertreffen. Ich denke Kooperation mit der Wirtschaft darf nicht mit abnehmender Verantwortung des Staats einhergehen.

Manche Aktivist*innen in der Degrowth-Bewegung nehmen die Umweltverbände als Dinosaurier mit einer Hierarchiestruktur wie Konzerne wahr…

Natürlich haben die Umweltverbände sich stärker institutionalisiert und professionalisiert. Das ist aber nicht per se negativ zu bewerten, da die Umweltorganisationen so zu relevanten gesellschaftlichen Playern geworden sind. Dadurch konnten Umweltthemen konsens- und gesellschaftsfähig werden. Ob dadurch der Kontakt zur Basis gelitten hat, kann ich nicht umfassend für alle Umweltverbände beantworten. Die Strukturen beim WWF empfinde ich persönlich keineswegs als starr und strikt. Natürlich gibt es fest etablierte Vorstände, die es so bei basisdemokratischen Strukturen nicht gibt. Wir arbeiten aber in erster Linie in einer starken internationalen Netzwerkstruktur, die viel Raum für Ideenentwicklung und Aushandlungsprozesse lässt.

Sollten sich die Umweltverbände nicht trotzdem eine kleines „radikaleres Beiboot“ als Thinktank leisten, auf dem neue Ideen entstehen und wachsen können?

Die Idee höre ich zum ersten Mal. Ein solcher Thinktank wäre aber eine gute Plattform, um Soziales und Ökologisches noch stärker zusammenzudenken. Die Frage wäre dann aber schon, wie weit das „Beiboot“ mit den Verbänden verknüpft ist und ob es auch autonom für sich sprechen und agieren kann. Ich würde mir wünschen, dass eine solche Ideenschmiede sich aus Mitgliedern verschiedener Umwelt- und Entwicklungsverbände zusammensetzt und eine eigene Stimme erhält.

Wie kann die Umweltbewegung auch in Zukunft erfolgreich bleiben?

Ich denke das Thema globale Gerechtigkeit muss noch stärker in den Fokus rücken. Das hängt in der Umsetzung natürlich auch davon ab, wie eine Organisation im Einzelnen international aufgestellt ist. Dass es nicht mehr ausreicht, in Umweltfragen nur national zu denken, zeigen z.B. die aktuellen Debatten um Klima- und Meeresschutz. Die übergeordneten Themen der Zukunft sind globale Umweltgerechtigkeit und internationale soziale Gerechtigkeit. Hier können die Umweltverbände einen großen Beitrag leisten.