Umweltorganisationen warnen beim Forest Movement Europe vor einer Expansion der sogenannten Bioökonomie
Es war wie immer ein Treffen im Wald für den Wald. Das jährlich stattfindende Spitzentreffen der Umweltorganisationen und Waldaktivistinnen wurde diesmal von der polnischen Organisation „Workshop for All Beings“ im Białowieża-Nationalpark im Nordosten Polens ausgerichtet. Diesmal stand ein Thema prominent auf der Tagesordnung, das der europäischen Umweltbewegung zunehmend Kopfschmerzen bereitet: Die Bedrohung der Wälder durch die Bioökonomie.
Denn der Wald soll neben seinen Funktionen für Klima, Artenvielfalt oder Wasserhaushalt eine zentrale Rohstoffquelle für die Wirtschaft von morgen werden. Dabei ist Holz schon heute Energieträger, Ausgangsstoff für die Papierindustrie oder Baumaterial und könnte in Zukunft Erdöl in Colaflaschen und Teer als Straßenbelag ersetzen sowie Ausgangsstoff für weitere Produkte der Chemieindustrie sein. Und das soll erst der Anfang sein. Der große Kahlschlag steht daher möglicherweise unmittelbar bevor – zumindest wenn die Expansionsträume von Forstindustrie und Bioökonomie-Strategen wahr werden. Grund genug für denkhausbremen und seine Projektpartner Fern und ELF, sich gemeinsam mit den versammelten Kolleginnen und Kollegen eine Übersicht zu verschaffen, damit der Biokapitalismus noch in halbwegs grüne und gerechte Bahnen gelenkt werden kann.
In regierungsoffiziellen Verlautbarungen wird die Bioökonomie stets zur neuen Weltformel hochgeschrieben. Dementsprechend großzügig sind milliardenschwere Forschungstöpfe ausgestattet um herauszufinden, wie unsere Verschwendungsökonomie in Zukunft mit Biomasse am Laufen gehalten werden kann. Dabei scheint aus dem Blick zu geraten, dass die Ökosysteme schon heute in vielen Fällen übernutzt sind und die Produktion von Biomasse nicht unendlich gesteigert werden kann.
Fotogallerie vom Forest Movement Europe. Copyright Fotos: Workshop for All Beings
Dazu haben Johannes Zahnen und seine Kolleginnen vom WWF mit der Studie „Alles aus Holz“ eine bemerkenswerte Übersichtsarbeit vorgelegt – eine Art Inventur, wie viel Holz die Wälder in Zukunft nachhaltig liefern können. Darin zeigen die Umweltschützer, dass die Erntemenge in Europa die Wälder aktuell schon an ihre Belastungsgrenze bringt. Eine weitere Steigerung ist demnach nicht mehr möglich. Sollten also nun weitere industrielle Anwendungen von Holz in Betracht kommen, dann muss dieser Rohstoff an anderer Stelle eingespart werden. Deshalb sollte zum Beispiel die industrielle Holzfeuerung bei der Stromproduktion sofort gestoppt werden.
Otto Miettinen vom Environmental Paper Network International und Ville Kellokumpu von der University of Oulu berichteten über die Expansionspläne der finnischen Papier- und Zellstoffindustrie in Richtung Bioökonomie. Ähnliche Botschaften kamen von Lina Burnelius (Protect the Forest Sweden), Sommer Ackerman und Reija Mikkola (Luonto-Liitto) sowie von Liis Kuresoo (Eestimaa Looduse Fond). Die Umweltaktivistinnen machten deutlich, wie sehr die Forstindustrie die Politik in Schweden, Finnland und Estland im Griff hat und dass die Zeichen im Hinblick auf eine Bioökonomie auch in diesen Ländern klar auf Wachstum stehen.
Ulrike Eppler und Jonas Daldrup von denkhausbremen gaben einen Einblick in die deutsche Debatte und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Umweltorganisationen. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang, dass NGO-Partizipation eigentlich in jedem Strategiepapier der Bundesregierung prominent genannt wird, entsprechende Ressourcen dafür aber nicht ausreichend bereitgestellt werden.
Martin Pigeon von Fern ging abschließend auf die eng verflochtenen Lobbystrukturen der Industrie mit den politischen Entscheidungsträgerinnen auf EU-Ebene ein. Dementsprechend einseitig werden auch die Forschungsmittel vergeben. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf seine Studie „In the Name of Innovation – Research and destroy: the factories of the industrial bioeconomy threaten the climate and biodiversity”.
Ohne Frage: Der Biokapitalismus ist im Kommen und eine reale Bedrohung für die Ökosysteme dieser Erde. Umso wichtiger wird es sein, dass die Zivilgesellschaft hier die Augen offen hat, damit der große Kahlschlag in den Wäldern verhindert werden kann.