denkhausbremen: Wie sind Sie zum professionellen Umweltschutz gekommen?
Clara Buer: Als Schülerin habe ich Nachhilfe gegeben und eine meiner Nachhilfeschülerinnen war bei Greenpeace aktiv. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Greenpeace-Jugendgruppe in Münster zu gründen. Damals habe ich mich besonders mit dem Thema Atomkraft auseinandergesetzt, denn das Endlager Ahaus lag vor der Tür. Über die ganzen Jahre bin ich Greenpeace dann treu geblieben.
Die Umweltverbände haben sich zunehmend professionalisiert. Manche werfen ihnen daher verkrustete Strukturen vor. Was sind da Ihre Erfahrungen?
Klar gibt es einen Unterschied zwischen einem hauptamtlichen Arbeitsplatz und einem ehrenamtlichen Engagement an der Basis. Neben der Regelmäßigkeit eines „Montags-Freitags-Jobs“ kommen eine Professionalisierung dazu sowie mehr Zeit, weil der Lebensunterhalt nicht anders verdient werden muss. Auf der anderen Seite kann ich als Ehrenamtliche frei entscheiden, für welche Kampagne und Aktion ich meine Zeit verwende. Natürlich gibt es auch manchmal sehr feste Strukturen. Für mich persönlich steht das aber noch in einem gesunden Verhältnis.
Nicht nur auf Greenpeace bezogen: Stellen die Umweltverbände nicht mehr die grundsätzlichen Machtfragen?
Ich hatte zum Beispiel bei der TTIP- bzw. CETA-Kampagne in den letzten Jahren schon das Gefühl, dass auch grundsätzliche Fragen angesprochen werden. Es stimmt natürlich schon, dass einige Bereiche in den Umweltverbänden sehr institutionalisiert sind. Da stehen dann weniger die Systemfragen im Vordergrund.
Wie siehst Du die Debatte zum Thema Wachstumskritik, da geht es schließlich um die Systemfrage?
Bei uns hat sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Wachstum gegründet, die aus ehrenamtlichen und hauptamtlichen Aktiven besteht. Ein Fokus dort ist der immer weiter zunehmende Ressourcenverbrauch, auch im persönlichen Leben der einzelnen. Die Wachstumslogik funktioniert nicht zusammen mit dem einen Planeten mit begrenzten Ressourcen.
Hat die Umweltschutzbewegung da bisher nicht zu wenig drauf hingewiesen?
Ja, die Wachstumsfrage kommt in der praktischen Arbeit der Umweltverbände häufig zu kurz. Allerdings werden die Fragen „was brauchen wir für ein gutes Leben“ oder „wann ist weniger mehr“ grundsätzlich in der Gesellschaft zu wenig gestellt. Gleichzeitig werden die Menschen durch Werbung zum Konsum aufgefordert. Das mit dem Blickwinkel weniger Wachstum aufzubrechen, ist sehr schwierig. Die Umweltverbände setzen daher eher auf sehr konkrete Kampagnen, um dann zumindest in diesem Bereich Erfolge zu verbuchen.
Ist das Verhalten der Verbände nicht auch der Kampagnen- und Spender*innen-Logik geschuldet?
Da unterscheide ich schon zwei Dinge. Die Umweltverbände müssen natürlich die gewünschten Adressatengruppen ansprechen. Die Themen sind daher sehr konkret und zielgruppengerecht aufbereitet. Wir konzentrieren uns zum Beispiel derzeit auf die Kampagne zum Abschalten der Kohlekraftwerke, damit das Klimaschutzziel 2020 in Deutschland erreicht werden kann. Daneben lassen wir dann aber schon ein Metathema wie den Ausbau der Erneuerbaren Energien mal zeitweise stehen. Grundsätzliche Suffizienzfragen kann man dagegen nicht einfach in eine Kampagne gießen. Das erfordert einen grundlegenden Wertewandel in der Gesellschaft.
Was könnten die Umweltverbände von der Postwachstums-Bewegung lernen? Geht es da zum Beispiel nicht viel hierarchiefreier zu?
Neben mehr Basisdemokratie sollten sich die Umweltverbände auch grundsätzlicheren Fragen wie „wie wollen wir eigentlich leben“ stellen. Die Degrowth-Bewegung ist hier stärker mit einem eigenen Perspektivwechsel beschäftigt: Welche Muster und Gewohnheiten müssen hinterfragt und verändert werden?
Ein Aspekt von Degrowth ist ja auch der Versuch, Ökologisches und Soziales zusammenzudenken. Sind die Umweltverbände dagegen auf dem sozialen Auge bisher blind?
In der 80er Jahren mag das in Deutschland so gewesen sein. Bei Greenpeace als internationaler Organisation sind viele weltweite Kampagnen aber schon an „people power“ orientiert, was beispielsweise auch Meinungs- und Demonstrationsfreiheit beinhaltet.
Aber kann nicht die Umweltbewegung in Deutschland hier deutlich besser werden? Wie sieht es denn zum Beispiel beim Thema Kohleausstieg mit einer besseren Kommunikation der Umweltbewegung mit den betroffenen Arbeiter*innen aus der Braunkohle aus?
Ja, das muss verbessert werden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir eine schnelle bundesweite Entscheidung zum Kohleausstieg brauchen. Daraus ergibt sich dann natürlich ein Zielkonflikt mit den betroffenen Regionen und Menschen, der mit konkreten Lösungsansätzen aufgelöst werden muss.
Wie kann Greenpeace in Zukunft wirkmächtig bleiben?
Bei Greenpeace sind wir gerade auf einem guten Weg der Veränderung. Wir wollen uns weiter öffnen, zum selbstverantwortlichen Arbeiten anregen und noch mehr die Ehrenamtlichen einbeziehen. Dabei müssen wir überfällige politische Entscheidungen für den Klimaschutz und aber auch wichtige Metathemen, wie den Wertewandel, im Auge behalten.
Das Thema Gemeinwohl-Ökonomie bietet zahlreiche Schnittmengen zur Degrowth-Bewegung: Wir retten den Planeten nicht nur damit, dass wir „grün“ wirtschaften. Wir brauchen einen kompletten Wertewandel. Unser Ziel darf nicht mehr sein, möglichst viel Geld zu verdienen, sondern ein gutes Leben zu führen. Hier können wir unser eigenes Handeln in ökologischer und sozialer Hinsicht überprüfen. Darüber hinaus sollten wir in diesem Zusammenhang auch hinterfragen, wie die Umweltverbände ihr Wissen besser austauschen und miteinander kooperieren können.
Konkret hat Greenpeace ist ja eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt…
Mit unserer Gemeinwohl-Bilanz haben wir uns selbst den Spiegel vorgehalten. Da wurde unter anderem deutlich, dass Entscheidungsstrukturen noch verbessert werden können. Greenpeace kann sich auch noch weiter öffnen und verändern. Es geht auch um ein erweitertes Angebot für Ehrenamtliche, bei uns aktiv zu werden.
Ein großes Problem der Umweltbewegung ist, dass internationale Stiftungen mit viel Geld und eigener Agenda versuchen, verstärkt Einfluss zu erlangen. Wie schätzen Sie das ein?
Für Greenpeace ist das kein Problem, da wir nur Spendengelder von Privatpersonen annehmen. Bei anderen Verbänden hat man schon hin und wieder den Eindruck, dass sie in ihren Forderungen nicht ganz so „bissig“ sind. Das hat dann unter Umständen mit Fördergeldern vom Staat oder von privaten Stiftungen zu tun. Ohne irgendwem etwas unterstellen zu wollen, sehe ich dieses Dilemma durchaus.