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Totalschaden fürs Klima: Feuerjahr 2015 in Indonesien

Von Marianne Klute –

Feuer löschen, Brandstifter bestrafen, Ursachen bekämpfen

„Wir sterben! Hilf uns, Welt!“ Bilder wie aus einem Krieg, Videos mit keuchenden Stimmen, verbrannte Erde, Borneos und Sumatras reichhaltige Natur dem Erdboden gleichgemacht. „Wir brauchen Sauerstoff, wir bekommen keine Luft mehr!“

 Monatelang liegen die Luftverschmutzungswerte des Standard Pollution Index SPI[i] im höchsten Gefahrenbereich. Ende Oktober 2015 erreicht der SPI in Palangkaraya Werte um 3000 Mikrogramm Partikel pro Kubikmeter Luft und mehr[ii]. Schulen sind geschlossen, der Luftverkehr beeinträchtigt, und die Menschen tragen Atemschutzmasken. Kleine Regenschauer bringen Erleichterung, doch die Gefahr ist nicht vorüber. Meteorologen kündigen den Beginn der Regenzeit erst für Dezember oder Januar an.

Ein ´Umweltverbrechen` nennt nicht nur die NASA die diesjährigen Wald- und Torfbrände in Indonesien. Nach Angaben des Luft- und Raumfahrtinstituts LAPAN wüteten vom 1. Juli bis zum 20. Oktober 2015 auf 2,7 Millionen Hektar[iii] Feuer, die meisten davon, mehr als 2 Millionen Hektar, auf Torf. Sie emittieren Treibhausgase, Staub, Kohlepartikel und giftige Gase in die Atmosphäre.

Es sind die Partikel geschwängerten Torffeuer, die die Brände zu einer humanitären und globalen Katastrophe machen. Die Partikel dringen in die Atemwege und zerstören die Lungenbläschen. Mindestens 22 Menschen sind gestorben, zig-Tausende ernsthaft erkrankt, eine halbe Million in ärztlicher Behandlung, und die Zahl der Atemwegserkrankungen liegt bei 30 Millionen – ein humanitärer Notstand.

Über den Gesundheitsnotstand hinaus ist die Feuer- und Rauchkatastrophe eine ´Menschenrechtsverletzung`, so die nationale Menschenrechtskommission Komnas HAM.[iv] Die Regierung mache sich der Unterlassung schuldig, denn sie lasse es zu, dass es Jahr für Jahr brenne.

Spät, erst nach dramatischen Wochen, berichten nationale Zeitungen über die Katastrophe. Das Zentrum Indonesiens scheint kein sonderliches Interesse an den Außeninseln zu haben. Die Welt auch nicht. Erst, da die Feuer zum größten Umweltdesaster des 21. Jahrhunderts aufzuflammen drohen, nimmt der Globus Notiz.

Der Ausstoß an Treibhausgasen ist gewaltig. Indonesien liegt auch ohne dieses Feuerjahr an dritter Stelle der größten Treibhausgasemittenten, hinter China und den USA. Nun kommen einige Gigatonnen hinzu. Das Gros der indonesischen Treibhausgasemissionen stammt, auch in „normalen“ Jahren, aus Entwaldung und Waldbränden, und mehr als die Hälfte davon aus Torfböden, die Emissionen aus Bränden noch nicht einberechnet.

Torf ist der Brennstoff für das Drama. Die flachen Küstenregionen Sumatra und Borneos, Sulawesis und Papuas beherbergten ausgedehnte Torfsumpfwälder. Allein Zentralkalimantan, dort wo die Luftverschmutzung im Oktober die Stadt Palangkaraya zur dreckigsten Stadt weltweit werden ließ, hat 3 Millionen Hektar Torfböden. Hier liegt eine der Sünden Suhartos, der 1,3 Millionen Hektar Torfland abholzen ließ, um darauf industriell Reis anzubauen.

Aus dieser Sünde scheint man kaum gelernt zu haben. In den letzten Jahren haben Zellstoff- und Palmölfirmen ihre Neuplantagen bevorzugt auf Torfböden errichtet. Die großen Multis Asia Pulp and Paper (APP) und Asia Pacific Resources Limited (APRIL) haben die Torfwälder von Sumatra unter sich aufgeteilt. Palmölunternehmen expandieren seit einigen Jahren vor allem in Torfgebiete. Vor sechs Jahren lagen 1,9 Mio Hektar der Plantagen auf Torfböden, heute sind es 8,6 Mio. Satellitendaten zeigen unzweideutig, dass in und um Konzessionsgebiete die meisten Brandherde sind.

WALHI hat Satellitenkarten mit den Karten von Palmöl-, Papier-, Holz- und Bergbaukonzessionen verglichen. Resultat der akribischen Arbeit: Mindestens die Hälfte der Hospots befindet sich innerhalb Plantagen, auffallend viele in Konzessionsgebieten der Zulieferer und Töchter der großen Konzerne. Die Namen: Wilmar, Best Agro International, Sinar Mas, Musimas, Minamas und die Julong Gruppe. Das Ergebnis wird durch offizielle Stellen bestätigt.[v] Das Ministerium für Umwelt und Forsten nennt nur die Initialen der Firmen. Aus Angst, meinen manche.

Es ist Trockenzeit, es ist heiß, El Niño 2015 beschert Indonesien ausgeprägte Dürre. Da reicht Nachlässigkeit, das Abbrennen von Unterholz oder Glut in tiefen Torfschichten. Doch es ist eindeutig bewiesen: die meisten Brände werden mit Absicht gelegt. Das Amt für Katastrophenschutz Riaus nennt 99,9% der Brände klar „Brandstiftung.“

Warum sollte ein Plantagenunternehmen auf seinem wertvollen Grund und Boden Feuer legen, kontert Wilmar auf die Walhi-Zahlen, die besagen, dass es auf 14 der 17 Wilmar-Plantagen in Zentralkalimantan brennt? Warum sollte Sinar Mas, der Konzern mit den meisten Brandherden, seine Akazienmonokulturen gefährden?

Die Gründe sind komplex. Land clearing ist einer, denn die mechanische Urbarmachung ist ein Kostenfaktor. Billiger sind Feuer, zehnmal billiger.

Bodenspekulation ist ein weiterer Grund, denn bereits gerodete und entblößte Wälder sind teurer. Kaum abgebrannt, können sofort Ölpalmen gesetzt werden, ohne zusätzliche Kosten. Kleine Plantagen, von denen niemand weiß, mit welchem Konzern oder Politiker sie verbunden sind, wechseln häufig den Besitzer. Der verkauft einen Hektar gerodeter Fläche für 600 Euro, einen Hektar abgebrannten Landes, bereit zum Bepflanzen, für 800 Euro. Ein Hektar mit Setzlingen bringt schon 3000 Euro ein.

Wie durch Zauberei sieht man heute, Wochen oder nur Tage nach einem Brand, auf verkohlten Böden junge Setzlinge aus der Erde sprießen – Ölpalmen.

Versicherungsbetrug scheint ein relativ neuer Grund zu sein. Wenn eine Plantage wirtschaftlich unproduktiv wird, so wird sie nach Beobachtungen in Westkalimantan gezielt abgebrannt und anschließend die Versicherungssumme kassiert.

Korruption spielt eine anfeuernde Rolle. Für abgebranntes Land erteilt ein Gouverneur schnell mal eine Plantagengenehmigung, wenn reichlich Geld fließt.

CIFOR, ein renommiertes Forschungsinstitut, spricht von einer Feuermafia, durchstrukturiert wie andere Formen organisierten Verbrechens.[vi] Kleine Leute werden zum Feuerlegen angeheuert. Hinter ihnen steht eine Hierarchie aus Beamten, Polizei, Militär und Drahtziehern aus anderen ASEAN-Staaten.[vii] Diese sind selbst vielleicht Inhaber einer Landkonzession, bleiben aber unbekannt.

Die Feuer zu löschen ist die erste Herausforderung in der aktuellen Notsituation. Viele Unternehmen haben, obwohl dazu verpflichtet, keine Feuerwehr. In den Brandzonen kämpfen jetzt Freiwillige Seite an Seite mit Soldaten gegen die Flammen. Doch erst der Regen wird die brennende Erde löschen. Bis zur nächsten Feuersaison?

NGOs fordern, die Täter zu bestrafen und deren Plantagen zu schließen. Ganze Kataloge mit den Namen von verdächtigen Firmen haben sie an Polizei und Forstbehörden übergeben. Einzelne Personen sind in Haft, einige Konzessionen abgesperrt, Genehmigungen eingefroren, jetzt noch keine entzogen. Die Ermittlungen gegen die Täter verlaufen schleppend.

Präsident Jokowi zeigt im Moment Entschlossenheit, den aktuellen Feuern Einhalt zu gebieten, mehr noch, den zukünftigen vorzubeugen. Er hat angordnet, die Drainagekanäle in den entwässerten Torfen zu blockieren, um die Böden zu durchnässen. Er hat entschieden, dass keine Neuplantagen auf Torf mehr genehmigt werden dürfen. Firmen sind jetzt verpflichtet, für Brandschutz und Brandbekämpfung zu sorgen.

Die Feuerperiode 2015, so furchtbar sie auch ist, kann und sollte das Momentum für ein Umdenken sein. Der Kern der Ursachen für die alljährlichen Feuer ist das System der Konzessionsvergabe durch den Staat, die eine aggressive Expansion in Waldgebiete zur Folge hat und Brandstiftung lukrativ macht.

Die Regierung Jokowi muss selbst durch Feuerproben gehen, ökologisch, sozial, machtpolitisch und global, denn die Menschen in den Brandgebieten fühlen sich von Indonesien verlassen, und bei der Weltklimakonferenz in Paris steht Indonesien am Pranger. Ob der politische Wille dauerhaft bleibt oder in Machtkämpfen zerrieben wird, wird sich in der Regenzeit zeigen.

Alles muss gleichzeitig und jetzt geschehen, die Feuer löschen, die Täter bestrafen, die Ursachen bekämpfen. Dazu gehört ein wirksamer Schutz sensibler Ökosysteme, law enforcement, Lösung der Landkonflikte und Einberechnung der ökologischen und sozialen Kosten bei der Preisgestaltung von Palmöl und Papier. Dazu gehört Monitoring, politischer Druck und ein Umdenken bei den Verbrauchern. In unserem eigenen Interesse, im Interesse des globalen Klimas.

Es hat geregnet, dem Himmel sei Dank. Die Luftqualität ist in den grünen Bereich gerutscht, so das Institut für Metereologie, Klimatologie und Geophysik[viii]. Die Menschen in Kalimantan und auf Sumatra versuchen aufzuatmen. Atemmasken, Sauerstoffflaschen und Augentropfen halten sie noch bereit.

 

[i] SPI, der Standard Pollution Index, gibt die Konzentration der Staubpartikel an. 350 Mikrogramm Partikel per Kubikmeter Luft werden als höchst gefährlich eingestuft. Internationale Grenzwerte für Staub und Feinstaub liegen bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter.

[ii] http://marufish.com/2015/10/24/sorry-the-pm10-at-borneo-is-out-of-the-range/

[iii] http://wlapan.go.id/index.php/subblog/read/2015/2059/Lapan-Sebut-Kebakaran-Hutan-Mencapai-2-Juta-Hektar und http://www.suara.com/news/2015/10/30/135501/lapan-sebut-kebakaran-hutan-mencapai-2-juta-hektar

[iv] http://m.thejakartapost.com/news/2015/09/19/haze-disaster-human-rights-abuse-says-rights-commission.html

[v] http://www.mongabay.co.id/2015/09/18/inilah-ratusan-perusahaan-dengan-lahan-terbakar-yang-bakal-kena-sanksi/

[vi] http://www.cifor.org/forestsasia/research/fires-haze/

[vii] http://www.bbc.com/indonesia/berita_indonesia/2015/10/151017_indonesia_korupsi_asap?ocid=socialflow_facebook%3FSThisFB

[viii] http://www.bmkg.go.id/BMKG_Pusat/Kualitas_Udara/Informasi_Partikulat.bmkg#ixzz3pTLmva5y