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Interviewreihe mit Umweltverbänden: Mehr Gerechtigkeit – Weniger Wachstum

Die großen deutschen Umweltverbände sind sich einig, dass ohne soziale Gerechtigkeit ein ökologischer Wandel nicht zu haben ist. Das ist die überraschende Quintessenz der heute veröffentlichten Interviewreihe, die von der Organisation denkhausbremen mit aktiven und ehemaligen Führungskräften der Umweltverbände geführt wurde. Befragt wurden Fachleute von BUND, Deutscher Naturschutzring, Greenpeace, NABU, NaturFreunde und WWF. Die Interviewten fordern darüber hinaus eine Abkehr vom Wachstumsdenken – bis hin zu dem Appell, eine Art neue APO zu bilden.

Die denkhausbremen Interviewreihe mit dem Titel “Wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft besser gestalten” beleuchtet den Einfluss der wachstumskritischen Debatte auf die Umweltverbände. “Es ist bemerkenswert, dass sogar etablierte Naturschutzverbände, deren Wurzeln ins bürgerliche Milieus hineinreichen, das allgegenwärtige Wachstumsparadigma in Frage stellen”, erläutert denkhausbremen-Geschäftsführer Peter Gerhardt.

Soziale Gerechtigkeit ist für die großen deutschen Umweltverbände zentral. „Wenn wir nicht zusehen, dass sich auch Menschen mit niedrigeren Einkommen ein gutes Leben leisten können, dann werden wir am Ende nicht erfolgreich sein“, erklärt NABU-Präsident Olaf Tschimpke in diesem Zusammenhang. Auch politische Projekte wie der Kohleausstieg sollten, so Tschimpke, sozialverträglich gestaltet werden.

Die befragten Experten kritisieren, dass kontinuierliches Wachstum weiterhin ein unumstößliches Fundament unseres Wirtschaftens sei und unseren Planeten auf die Dauer erschöpfe. WWF-Vorstand Christoph Heinrich konkretisiert, dass eigene Studien belegten, dass bei Fleisch, Soja oder Palmöl die globalen Grenzen der Tragfähigkeit bereits überschritten seien. Helmut Röscheisen, Ex-Generalsekretär des Dachverbands Deutscher Naturschutzring, rät den Umweltverbänden auch im Hinblick auf die eigene Nachwuchsarbeit sich in der wachstumskritischen Debatte zu engagieren: “Die Frage nach ökologischen Lebensstilen und die Wachstumsdebatte als solche bieten da schon einige Brücken, um junge Leute für die eigene Arbeit zu begeistern.”

Die Interviewten sprechen ferner über ihr ambivalentes Verhältnis zur Industrie. Wolfgang Lohbeck, langjähriger Greenpeace Kampaigner und Vater des Drei-Liter-Autos, ist skeptisch, ob sich der Dialog mit der Wirtschaft für die Umweltverbände lohnt. Es bestehe dadurch die Gefahr, sich zu sehr um Detailverbesserungen zu bemühen und das große Ganze aus dem Auge zu verlieren, nämlich in seinem Fall das „durchaus perverse Fortbewegungsmittel Auto insgesamt“. Er hält das System „Auto“ für „brutal, gewalttätig, vernunftwidrig, auf Kosten aller“.

Die Umweltfachleute erläutern auch Ihre Ideen für die Zukunft. Die BUND-Ehrenvorsitzende Angelika Zahrnt gibt sich pragmatisch und sieht die Stärke ihres Verbandes auf der lokalen Ebene und fordert mehr Repair-Cafes für defekte Kleingeräte und Car-Sharing. Der frühere Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium und heutige NaturFreunde-Vorsitzende Michael Müller wünscht sich, dass sich die Verbände gemeinsam noch stärker politisch einmischen: Er ruft sie dazu auf, „eine Art APO, also außerparteiliche Opposition“ zu bilden und die politischen Parteien beim Thema Wachstum stärker unter Druck zu setzen.

Die Interviewreihe hat denkhausbremen im Rahmen des “Dialog Degrowth” initiiert. In diesem vom Umweltbundesamt geförderten Projekt tauschen sich Umweltverbände mit wachstumskritischen Initiativen aus und erarbeiten gemeinsam konkrete Lösungsansätze für soziale und ökologische Zukunftsfragen.

Die Interviewreihe als Broschüre zum Download: Bitte hier klicken.

Zur Projekt-Website des “Dialog Degrowth”: Bitte hier klicken.