Bürgergespräch über Solarstrom vom Acker in der Uckermark
Informieren, zusammentun und engagieren
So oder so ähnlich lautet der Empfehlungs-Dreiklang, den Katja Neels und Dieter Arndt der versammelten Bürgerrunde in Ringenwalde (Uckermark) mit auf den Weg gaben. Demnach lohnt es sich für Anwohnerinnen und Anwohner in vielerlei Hinsicht, sich kundig zu machen und einzumischen, wenn in der eigenen Gemeinde eine größere Ackerfläche mit Solarmodulen bestückt werden soll.
Das Interesse an Information und Austausch war jedenfalls groß, denn über 50 Personen folgten der Einladung des Heimatvereins Ringenwalde, der Bürgerstiftung und denkhausbremen. Um sich über Freiflächen-Photovoltaik – so heißen die Solarmodule auf dem Acker eigentlich ganz genau – zu informieren und ins Gespräch zu kommen.
Mit Solarstrom vom Acker ist es in vielen Fällen bislang nicht gut gelaufen – davon wusste Dieter Arndt, Ortsvorsteher von Altfriedland und Unterstützer der Dorfbewegung Brandenburg, ein Lied zu singen. Obwohl seine Gemeinde Neuhardenberg mit vielen hundert Hektar solcher Anlagen zugepflastert ist, sieht die Öffentlichkeit dort kaum etwas von den üppigen Gewinnen. Dafür machen sich die Investoren die Taschen voll. Das soll sich in Zukunft ändern, sagt Arndt, und der sogenannte Solar-Euro soll in Brandenburg ab 2025 bei Neuanlagen dafür sorgen, dass wenigstens etwas in der Gemeindekasse bleibt.
Katja Neels berichtete, wie sich ein von der Bürgerstiftung Barnim Uckermark ins Leben gerufenes Dörfernetzwerk mit ihr auf den Weg gemacht hat, um einen Kriterienkatalog mit Anforderungen für neue Solaranlagen auf Freiflächen zu entwickeln. Neels, die sich selbst weder als Befürworterin noch als eingefleischte Gegnerin von Acker-Solaranlangen bezeichnet, erzählte von dem engagierten Prozess. Bürger und Vertreter unterschiedlichster Interessengruppen haben letztendlich miteinander gerungen und verhandelt, um sich am Ende auf möglichst konkrete und überprüfbare Punkte zu einigen.
Julia Thiele vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende wartete mit Beispielen auf, wie Solarstrom vom Acker möglichst ökologisch hochwertig produziert werden kann. Die Expertin des von der Bundesregierung unter Angela Merkel gegründeten Instituts hatte zahlreiche Beispiele mitgebracht, wie durch eine umsichtige Gestaltung negative Effekte wie zum Beispiel der Verlust der Artenvielfalt oder Barrieren für Wildwechsel begrenzt werden können.
Und was folgt aus diesem Debatten-Abend: Das lässt sich nicht so einfach und eindeutig sagen. Zum einen ist es problematisch, aus nur einer Bürgerdebatte weitergehende Schlussfolgerungen abzuleiten. Andererseits kommt eine Mischung aus gefühlter Wahrheit, Erfahrungswissen und einer mit harten Fakten untermauerten Skepsis der Realität wohl ziemlich nahe. Und daraus kann man schon einiges lernen.
1. Ausbauziele treffen auf Aasgeier und Ahnungslose
Wenn gut gemeinte und dringend notwendige Ausbauziele in der Praxis auf die gnadenlose Wirklichkeit einer renditegetriebenen Profitökonomie treffen, kann nichts Gutes dabei herauskommen. In den Niederungen der Kommunalpolitik, also dort, wo letztlich über Solarfelder auf dem Acker entschieden wird, treffen dann Konzernprofis auf politische Amateure, die nach Feierabend ihr Bestes geben. Was nicht heißen soll, dass Manager, Banker und Investoren klüger sind als ehrenamtliche Ortsvorsteher oder Gemeindevertreter. Die einen haben nur ein ganzes Heer von Helfern in Person von Juristen oder hochbezahlten Experten zur Verfügung während sich die Gemeindevertreter weitgehend auf sich gestellt durch 70-seitige Vertragstexte fräsen: das sind keine Ausgangsbedingungen für Verhandlungen auf Augenhöhe.
Damit das in Zukunft besser wird, muss die Bundesregierung den kommunalen Entscheidungsträgern den Rücken stärken. Mit Expertise, Ressourcen und Investitionen in eine funktionierende Zivilgesellschaft.
2. Bürgerbeteiligung ernst nehmen
Unter dem Stichwort „Bürgerbeteiligung“ wird manches betrieben, was den Namen eigentlich nicht verdient. Manche finden es schon ausreichend, wenn die Pläne für einen Solarpark irgendwo im Gemeindehaus ausliegen. Investoren hingegen suchen den Kontakt zur Bevölkerung meist über eine öffentliche Informationsveranstaltung, verbunden mit dem Interesse, ihr eigenes Projekt in ein rosiges Licht zu rücken. Dies hat dann aber eher den Charakter einer Werbeverkaufsveranstaltung.
Echte Teilhabe setzt voraus, dass Informationen neutral von glaubwürdigen Personen oder Organisationen vermittelt werden, damit sich die Bürger eine unabhängige Meinung bilden können. Das kostet Geld und Zeit.
3. Eine große Skepsis bleibt …
Am Ende war die Skepsis im Raum spürbar. Dass all die guten Beispiele für ökologisch hochwertige Ackersolaranlagen zwar theoretisch möglich sind, aber in der aktuellen Ausbaupraxis kaum umgesetzt werden. Des Weiteren wurden Zweifel laut, dass fruchtbare Äcker als Standort für Solarstrom herhalten müssen. Demnach gibt es genug belastete Flächen, Autobahnrandstreifen und Dachflächen, um jedes noch so ambitionierte Ausbauziel auch ohne Ackerflächen zu erreichen.
Hinzu kommt in der Uckermark die Befürchtung, sich wieder einmal finanzkräftige Investoren aus dem “Westen” in Brandenburg die Taschen füllen, wobei die Interessen vor Ort auf der Strecke bleiben und die Pachtpreise durch die Decke gehen und damit für heimische Landwirte unerschwinglich werden.
4. Jungbrunnen für die Demokratie?
Das Wärmepumpen-Desaster der Bundesregierung ist noch nicht ganz verklungen. Es ist den politischen Entscheidern nur zu wünschen, dass sie jetzt ihre Antennen auf Empfang gestellt haben. Denn schon bald könnte eine neue Welle der Empörung durchs Land schwappen und die Energiewende weiter ausbremsen. Das ist Futter für die Parteien am rechten Rand und lässt sich vermeiden.
Die Zutaten dafür sind nicht so kompliziert: Etwas weniger Wildwest, mehr Kompetenz in Bürgerhand und eine ambitionierte ordnungspolitische Steuerung. Im Grunde genommen könnten Debatten mit den Bürgern vor Ort zur Energiewende ein Jungbrunnen für die Demokratie sein. Denn es muss argumentiert und gestritten werden und jeder muss auch mal eine Kröte schlucken. Wenn es dabei halbwegs fair zugeht, steht am Ende ein Kompromiss, und das ist das Wesen der Demokratie. Packen wir’s an 🙂
PS: Das Projektteam hat entschieden, diesen Text aus Gründen der Anschlussfähigkeit bewusst nicht in Gendersprache zu schreiben.