von Joachim Spangenberg, BUND
Die Bioökonomie ist auf biologische Ressourcen angewiesen. Der anhaltend hohe Ressourcenverbrauch verschärft daher das Risiko des Verlusts der biologischen Vielfalt durch eine Ausweitung und Intensivierung der Landnutzung.
Foto: © Eva-Maria Lopez
Schon heute ist die biologische Vielfalt der am meisten überschrittene Bereich im Rahmen der planetarischen Grenzen (1). Die Bioökonomie ist auf biologische Ressourcen angewiesen.
Entscheidend dafür, ob die Bedrohung der biologischen Vielfalt zunimmt oder im Gegenteil eine Umkehr der ökologischen Grenzüberschreitung unterstützt wird, sind daher die Fragen, wo, wie, welche und wie viele Rohstoffe für die Bioökonomie-Nutzung produziert werden.
Zu den wichtigsten direkten Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt gehören die Intensivierung der Landnutzung und der zunehmende Einsatz von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln. Diese verursachen sowohl direkte Auswirkungen, z. B. die toxische Wirkung von Pestiziden auf Insekten, als auch indirekte Auswirkungen, wie den Verlust von Nahrungsquellen und Lebensräumen für Insekten durch die Beseitigung der Begleitflora durch Pestizide. Nur eine Bioökonomie mit einem insgesamt ökologischeren Landnutzungsansatz hätte positive Auswirkungen auf die biologische Vielfalt – dies wird aber kaum gefordert.
Aus wirtschaftlichen und technischen Gründen werden in der Bioökonomie bevorzugt Rohstoffe verwendet, die in weitgehend homogenen Monokulturen erzeugt werden. Die Ausrichtung auf wirtschaftlich wirksame Skaleneffekte und der industrielle Biomasseanbau verschärfen jedoch die negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Demnach ist die Wirtschaft der wichtigste indirekte Faktor für den Verlust der biologischen Vielfalt (2).
Für einen „optimierten“ Anbau im Sinne von Homogenität, Kosteneffizienz und spezifisch an den Verwendungszweck angepassten Inhaltsstoffen wird die Gentechnik eingesetzt – ein weiterer Biodiversitätskiller, wie die Erfahrungen mit der großflächigen Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen zeigen.
Darüber hinaus birgt die Bioökonomie das Risiko einer Verstärkung negativer Effekte durch eine Ausweitung der Flächennutzung, indem Flächen in Anspruch genommen werden, die in der Vergangenheit nicht genutzt wurden (siehe Flächenkonkurrenz). Ein Biomasseanbau auf ehemals artenreichem Brach- und Weideland oder die Umwandlung von Wäldern in Baumplantagen bedeutet einen unersetzlichen Verlust an biologischer Vielfalt.
Bioökonomische Prognosen gehen von umfangreichen Biomasseimporten aus, da der Bedarf an dem benötigten Material nicht aus heimischen Quellen gedeckt werden kann. Das importierte Pflanzenmaterial stellt ein zusätzliches Risiko für die biologische Vielfalt in Deutschland dar, da invasive Arten eine der größten Bedrohungen für die heimische Artenvielfalt sind. In den Exportländern sind die Folgen fataler: Die artenreichen Tropenwälder werden gerodet oder niedergebrannt, um Platz für Exportpflanzen zu schaffen. Der brennende Amazonas zeigt deutlich, dass die Bemühungen, Biomasseimporte durch „Nachhaltigkeitskriterien“ unschädlich zu machen, gescheitert sind.
Es liegt auf der Hand, dass eine Bioökonomie, die auf biologischen Ressourcen als Ersatz für fossile Rohstoffe basiert, nur durch eine Ausweitung bzw. Intensivierung der Landnutzung – und damit mit negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt – zu erreichen ist, wenn der Gesamtverbrauch an Rohstoffen nicht massiv eingeschränkt wird.
Nach Ansicht der Europäischen Umweltagentur (EUA) ist die Entwicklung einer Bioökonomie nur dann ohne Schaden für die biologische Vielfalt, wenn organische Abfälle in erster Linie als Rohstoff verwendet werden, wenn der Anbau von Biomasse auf Gebiete beschränkt wird, die derzeit keine hohe biologische Vielfalt aufweisen, und wenn umfangreiche Importe von Biomasse vermieden werden (3).
Referenzen:
(1) Rockström et al. (2009). Ein sicherer Operationsraum für die Menschheit.
(2) IPBES Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (2019). Die Gesamtbewertung.
(3) EUA Europäische Umweltagentur (2005). Wie viel Biomasse kann Europa nutzen, ohne die Umwelt zu schädigen?
Dr. Joachim H. Spangenberg ist promovierter Ökologe und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des BUND.
Die zwölf Diskussionsbeiträge der Umwelt- und Entwicklungsverbände für eine nachhaltige Bioökonomie gibt es hier als PDF zum Download.