Autor: Peter

Helmut Röscheisen: Umweltschutz und Gerechtigkeit gehören zusammen

Helmut Röscheisen im Gespräch mit Denkhaus Bremen über die Geschichte der Umweltbewegung, die Grenzen des Wachstums und warum Gerechtigkeitsfragen auch für Umweltverbände relevant sind. Helmut Röscheisen war von 1980 bis 2014 Generalsekretär des Deutschen Naturschutzrings (DNR), der Dachorganisation der bundesdeutschen Umweltverbände mit rund 100 Mitgliedsverbänden und über fünf Millionen Mitgliedern.

Tofu trifft Bratwurst

Gastbeitrag von Peter Gerhardt und Jonas Daldrup für die Frankfurter Rundschau am 2. September 2016 Die kritische Debatte über das Wirtschaftswachstum ist von der Mitte der Gesellschaft noch weit entfernt. Um wirkungsvoller zu werden, müssen neue Verbündete mit ins Boot. Deutschland ist ein verunsichertes Land. Ein geteiltes Land. Refugee welcome und Pegida stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die gute alte Soziale Marktwirtschaft hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Der Schatten der Globalisierung reicht bis vor die eigene Haustür. Das Vertrauen in die Demokratie und etablierte Parteien ist im Sinkflug ­ und das, obwohl die wirtschaftlichen Kennzahlen kaum besser sein könnten. Selbst im Boomland Baden­Württemberg fahren CDU und SPD zusammen nicht mal mehr 40% der Stimmen ein. Und im Hintergrund gehen Artensterben und Klimakatastrophe einfach munter weiter: 2016 ist, wie schon die Jahre zuvor, auf dem besten Wege, den nächsten globalen Hitzerekord zu knacken. “So kann es nicht weitergehen!” Diese Analyse teilt die Degrowth­Bewegung mit anderen progressiven Kräften. Die junge Szene versucht, Demokratie und Gerechtigkeit mit der Umweltkrise zusammenzudenken. Unsere wachstumsfixierte Wirtschaft wird zu Recht in …

Was wirklich zählt

Gastbeitrag im Weserkurier von Peter Gerhardt Wirtschaftswachstum und Co. haben als Orientierung für ein gutes Leben ausgedient.Die Steigerung von Produktion und Dienstleistungen war mal das Maß aller Dinge. Das die Bundesrepublik trotz Wachstum und positiver ökonomischer Kennzahlen ein tief verunsichertes Land ist, zeigt uns, dass wir unseren Kompass neu kalibrieren müssen. Auch das letzte Bundesländer-Ranking der wirtschaftsnahen “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” liefert uns wenig Erkenntnis, ob es uns gut geht. Bei der Suche nach dem angeblich besten Bundesland landete Bremen nur auf dem hinteren Platz 12. Aber was heißt das schon. Die Macher solcher Vergleiche rühren aus Faktoren wie Wirtschaftskraft, Bildungsniveau und Arbeitsmarkt einfach einen Index an. Für die Lebenswirklichkeit vieler Bürgerinnen und Bürger kann es hingegen ein Segen sein, wenn die eigene Region bei so einem Wettbewerb hinten liegt. So wie in Bremen, das die Gentrifzierungsexzesse anderer Ballungsräume mit explodierenden Immobilienpreisen bisher glücklicherweise verschlafen hat. Diese sind sicher gut für Wachstumsstatistik und Investoren; für viele Mieter hingegen ein Supergau in der Haushaltskasse. Der Pulsschlag an der Weser war im Gegensatz zu Boomregionen wie Hamburg …

Workshop in Bremen: Degrowth und Gerechtigkeit in der Praxis

Expert*innen und Aktivist*innen aus Umweltverbänden, Wissenschaft und wachstumskritischen Bewegungen kamen am 18. Februar 2016 in Bremen beim Dialog Degrowth zusammen. Dies war bereits der zweite Workshop im Rahmen dieses Projekts – die Auftakt-Veranstaltung fand am 17. November 2015 in Berlin statt. Das von denkhausbremen gesteuerte Vorhaben wird vom Umweltbundesamt gefördert. Projektpartner ist das Forum Umwelt und Entwicklung. Bei dem Projekt sollen konkrete Umsetzungsmöglichkeiten mit den Umweltverbänden entwickelt werden, um das Wachstumsdogma der Wirtschaft zu thematisieren. Impulsvorträge von renommierten Gästen lieferten die Grundlagen für engagierte Diskussionen: Niko Paech: “Grundzüge der Postwachstumsökonomie” Niko Paech ist Professor an der Universität Oldenburg am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt sowie Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac Deutschland. Beate Zimpelmann: „Degrowth – mit den Gewerkschaften in die Mitte der Gesellschaft?“ Beate Zimpelmann ist Professorin an der Hochschule Bremen für “Praxis der Politik” und Leiterin der Koordinationsstelle Hochschule-Gewerkschaften. Jutta Kill: “Degrowth und soziale Gerechtigkeit” Jutta Kill ist Biologin und Aktivistin und war u. a. Koordinatorin der Waldkampagne bei urgewald und Kampaignerin bei der Organisation FERN. Wolfgang Lohbeck: “Popularisierung von Umweltthemen – Lernen …

Ist Degrowth das neue Nachhaltig?

Alternativen zum Wachstum: Starke Umweltverbände können eine zentrale Rolle spielen Von Michael Gerhardt und Peter Gerhardt Nachdenken über das Wachstumparadigma ist die vielleicht relevanteste Zukunftsdiskussion. Die persönlichen Befindlichkeiten der Wohlstandsbürger und auch globale Zusammenhänge werden dabei einbezogen. Was fehlt ist ein allgemein akzeptierter Begriff und eine schlüssige Strategie, wie die Wachstumsgläubigkeit überwunden werden kann. Dabei können starke Umweltverbände eine zentrale Rolle spielen. Macht das dritte iPad noch glücklich? Diese Frage können sich nur Menschen stellen, die schon zwei gekauft haben. Damit sind wir schon bei einem zentralen Kritikpunkt der Debatte um das Wirtschaftswachstum. Sie trägt ziemlich elitäre Züge. Trotzdem ist es spannend darüber nachzudenken, denn auch die gesättigte Mittelschicht hat das Recht auf ihre eigenen Diskussionen. Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ja, es wäre sicher sinnstiftender gewesen mehr Zeit mit seinen Freunden oder Kindern zu verbringen, anstatt für ein weiteres iPad arbeiten zu gehen. Das sagt auch die so genannte Glücksforschung. Trotzdem stürzen sich auch Menschen, die schon alles haben, ins Hamsterrad und Arbeiten und Kaufen als ob es kein Morgen gäbe. Dieses Dilemma wird …

Oben und Unten

Gastbeitrag von Jürgen Maier, Geschäftsführer des Forum Umwelt und Entwicklung »Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.« – Bertolt Brecht Die Deutschen reden gerne über die Moral. Von links bis rechts, quer durch das politische Spektrum. Man beruft sich auf die Moral, auf Werte, gar auf Wertegemeinschaften. Nur wer die Moral auf seiner Seite hat, hat eine Chance, gehört zu werden. Dieser Text dreht sich nicht um Moral. Dieser Text dreht sich um das Fressen, nämlich um Wirtschaftspolitik. Um die Verteilung von Geld und Wohlstand. Seit der neoliberalen Wende Deutschlands in den späten 1990er Jahren herrscht über fundamentale Fragen der Wirtschaftspolitik faktisch nicht nur Konsens in den politischen und gesellschaftlichen Eliten dieses Landes, sondern geradezu Sprachlosigkeit. Wo ein Konsens herrscht, braucht man nicht mehr zu diskutieren, nicht mehr zu argumentieren – man verlernt es sogar. Es hat sich der Glaube durchgesetzt, die aktuelle Wirtschaftspolitik sei »alternativlos«. Merkel hat sie sehr treffend als die »marktkonforme Demokratie« beschrieben; der »demokratiekonforme Markt« gehört längst der Vergangenheit an. Jedenfalls bis 2015. Dieser Konsens äussert sich nicht nur in …

SPD Europaabgeordnete Maria Noichl zu EU Biomasse-Politik

„Herr Juncker hat den Kampf gegen den Klimawandel als eine der Prioritäten der EU-Kommission deklariert. Ein Jahr unter der neuen Kommission macht nun deutlich: für Umweltanliegen war es ein verlorenes Jahr. Obwohl gerade diese in den aktuellen Zeiten eine größere Aufmerksamkeit Bedarf, denn vielerorts geraten Umweltanliegen unter Druck, so auch durch die Nachfrage im Bioenergiesektor. Europa ist der einzig große Markt für Biomasse auf der Erde. Bioenergie gehört schon heute zu den zentralen Quellen für Erneuerbare Energie: in 2020 soll sich in der EU 20 % des Energie-Mixes aus Erneuerbarer Energie speisen. Um dieses Ziel nachhaltig zu erreichen, bedarf es neuer Initiativen. Denn vielerorts wird bereits heute deutlich, dass sich die EU eine grüne Energiepolitik erschwindelt. Ein gutes Beispiel ist der von Ihnen genannte Import von Holz-Pellets aus den USA in europäische ehemalige Kohlekraftwerke. Ich denke alle von Ihnen wissen, dass wir uns ehrgeizige Ziele in der EU gesetzt haben, die nur mit einer erheblichen Nachjustierung nachhaltig erfüllt werden können. Dazu zählt zum Beispiel die Einführung von verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien für die Nutzung von Biomasse. Dazu …

Totalschaden fürs Klima: Feuerjahr 2015 in Indonesien

Von Marianne Klute – Feuer löschen, Brandstifter bestrafen, Ursachen bekämpfen „Wir sterben! Hilf uns, Welt!“ Bilder wie aus einem Krieg, Videos mit keuchenden Stimmen, verbrannte Erde, Borneos und Sumatras reichhaltige Natur dem Erdboden gleichgemacht. „Wir brauchen Sauerstoff, wir bekommen keine Luft mehr!“  Monatelang liegen die Luftverschmutzungswerte des Standard Pollution Index SPI[i] im höchsten Gefahrenbereich. Ende Oktober 2015 erreicht der SPI in Palangkaraya Werte um 3000 Mikrogramm Partikel pro Kubikmeter Luft und mehr[ii]. Schulen sind geschlossen, der Luftverkehr beeinträchtigt, und die Menschen tragen Atemschutzmasken. Kleine Regenschauer bringen Erleichterung, doch die Gefahr ist nicht vorüber. Meteorologen kündigen den Beginn der Regenzeit erst für Dezember oder Januar an. Ein ´Umweltverbrechen` nennt nicht nur die NASA die diesjährigen Wald- und Torfbrände in Indonesien. Nach Angaben des Luft- und Raumfahrtinstituts LAPAN wüteten vom 1. Juli bis zum 20. Oktober 2015 auf 2,7 Millionen Hektar[iii] Feuer, die meisten davon, mehr als 2 Millionen Hektar, auf Torf. Sie emittieren Treibhausgase, Staub, Kohlepartikel und giftige Gase in die Atmosphäre. Es sind die Partikel geschwängerten Torffeuer, die die Brände zu einer humanitären und globalen …

Gelungener Dialog

Zu unserem ersten Workshop im Rahmen des Dialog Degrowth kamen am 17. November 2015 über 30 VertreterInnen relevanter Umwelt- und Entwicklungsorgansationen und AktivistInnen und WissenschaftlerInnen der wachstumskritischen Bewegung zusammen. Dafür haben wir viele positive Rückmeldungen erhalten. Wie erwartet war das ein thematisch breit gefächerter erster Aufschlag. Einerseits gab es spannende und informative Theoriekost: Stichworte wie Große Transformation, transzendente Wachstumskritik oder marktdynamische Potenziale wurden in die Diskussion eingeführt. Aber auch konkrete Umsetzungsszenarien kamen zur Debatte. Manche Verbände setzen sich bereits mit wachstumskritischen Themen auseinander und haben einiges davon bereits in praktische Projekte gegossen. Das Thema Wachstum wird den Umwelt- und Entwicklungsverbänden auch in Zukunft nicht erspart bleiben:   Kampagnenerfolge zu Einzelthemen werden durch wirtschaftliche Expansion immer wieder aufs Neue aufgefressen. Es wird Zeit, sich mit den Zusammenhängen auseinanderzusetzen und vor grundsätzlichen Fragen nicht zurückzuschrecken. Folgen des Wirtschaftswachstums wie fortschreitender Flächenfraß von den Alpen bis nach Indonesien sorgen dafür, dass den Umweltverbänden mittelfristig die Umwelt als zu schützendes Objekt abhanden kommen könnte. Wenn der letzte Winkel der Alpen als Funsportkulisse in Wert gesetzt worden ist, dann gibt …