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Hamira Kobusingye: Afrika muss seinen eigenen Weg in eine nachhaltige Zukunft finden

Hamira Kobusingye ist Klimaaktivistin und hat 2022 die NGO Climate Justice Africa gegründet. Sie engagiert sich von Kampala (Uganda) aus im Kampf gegen den Klimawandel und erhielt im vergangenen Jahr den Bremer Solidaritätspreis für Klimagerechtigkeit. Im Gespräch mit denkhausbremen schildert Hamira Kobusingye ihren Klima-Aktivismus in Uganda, die Bedeutung von Bildung in der politischen Arbeit und ihren Kampf gegen eine neue Erdöl-Pipeline (Foto: Senatspressestelle Bremen).

denkhausbremen: Was bedeutet Klimagerechtigkeit für Sie?

Hamira Kobusingye: Wenn ich an Klimagerechtigkeit denke, sehe ich eine Welt vor mir, in der kein Leben mehr wert ist als ein anderes. Noch heute werden Länder und Regionen in Afrika vom Globalen Norden ausgebeutet, besonders durch Investitionen in Ölfelder. Ein krasses Beispiel sind die schweren Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzungen durch eine Shell-Pipeline im Niger-Delta. Kinder in Ländern wie dem Kongo werden zur Arbeit in Kobaltminen gezwungen, dessen Abbau für die Produktion von Elektroautos in Europa genutzt wird. Diese Ausbeutung muss sofort enden; sie ist grundlegend ungerecht.

Lassen Sie uns am Anfang beginnen. Was hat Sie motiviert, Klimaaktivistin zu werden?

Bevor ich mich dem Kampf gegen die Klimakrise anschloss, war ich stark in der Frauenförderung engagiert. Da ich ohne Vater aufwuchs, sah ich aus erster Hand, welche Opfer meine Mutter brachte, um mir Chancen im Leben zu ermöglichen. Viele meiner Freundinnen wurden zu frühen Ehen gezwungen und waren als junge Mütter von der Schulbildung ausgeschlossen. Dies motivierte mich, an einem Projekt teilzunehmen, das jungen Frauen, insbesondere alleinerziehenden Müttern, half, eigenes Gemüse anzubauen. Dies sollte ihre finanzielle Situation verbessern, indem sie ihre Ernte verkaufen und das Geld für Bildung, Gesundheit und zusätzliches Essen für ihre Kinder nutzen konnten.

Doch wiederkehrende Dürren und Überschwemmungen zerstörten immer wieder ihre Ernten. Das brachte mich dazu, mehr über die Klimakrise zu lesen und bald erkannte ich, dass der Klimawandel die Hauptursache für viele Probleme um mich herum war. Darum fasste ich den Entschluss, mehr Menschen über die Auswirkungen des Klimawandels zu informieren.

Was haben Sie unternommen, um das zu erreichen?

Im Jahr 2018 begann ich, auf den Straßen von Kampala zu protestieren und Schilder hochzuhalten, um das Bewusstsein für die Klimakrise zu schärfen. Anfangs fühlte ich mich wie ein Tropfen auf den heißen Stein, und es war auch ziemlich gefährlich. Es gab Zeiten, in denen die Polizei eingriff und ich fliehen musste. In Uganda zu protestieren ist nicht dasselbe wie in Deutschland; einige meiner Freunde wurden wegen ihres Aktivismus inhaftiert. Mit der Zeit habe ich eine bedeutende Veränderung im Bewusstsein der Menschen in meinem Umfeld festgestellt. Viele verstehen die Klimakrise nun besser.

Letztes Jahr haben Sie den Bremer Solidaritätspreis für Klimagerechtigkeit bekommen – in einem Land wie Deutschland, das zu den großen Klimaverschmutzern gehört. Ist das nicht ironisch?

Tatsächlich war es ein bittersüßer Moment für mich. Dieser Preis ändert nichts daran, dass Deutschland ein großer CO2-Emittent bleibt, der den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen immer wieder verzögert. Doch als Klimaaktivistin und Vertreterin des Globalen Südens war ich dankbar für die Gelegenheit, vor deutschen Politiker*innen über unsere Forderungen zu sprechen. Außerdem war das Preisgeld hilfreich, um Climate Justice Africa offiziell als NGO zu registrieren, was ein bedeutender Fortschritt für unsere Organisation ist.

Worum geht es bei Climate Justice Africa?

Climate Justice Africa entstand als Idee im Jahr 2020 und wurde offiziell während der COP27 im Jahr 2022 eine NGO. Als Gründerin war es immer mein Ziel, das Bewusstsein für den Klimawandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern und die Menschen vor Ort zu befähigen, für echten Wandel einzutreten und sich einem Netzwerk von Klimaaktivist*innen in ganz Afrika anzuschließen. Diese Mission ist mir äußerst wichtig.

Wir haben zum Beispiel ein Programm zum Capacity Building und zum Wissensaustausch, wir machen Fortbildungen zu wichtigen Themen wie dem Pariser Abkommen und den Abläufen internationaler Klimaverhandlungen.

Sie sind auch im Kampf gegen die East African Crude Oil Pipeline aktiv, die Öl von Uganda nach Tansania transportieren soll.

Ja, diese Pipeline würde voraussichtlich jährlich 35 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Sollte dieses Projekt umgesetzt werden, würde Uganda zu einem bedeutenden Klimaverschmutzer werden. Das können wir uns nicht leisten, da wir bereits mit einer Klimakrise kämpfen, die wir nicht verursacht haben.

Uganda hat enormes Potenzial für die nachhaltige Energieerzeugung durch Solarenergie, darauf sollten wir unseren Fokus legen. Stattdessen investiert unsere Regierung mitten in einer eskalierenden Klimakrise in fossile Brennstoffe. Diese Investitionen sind dazu da, die Versorgung mit fossilen Brennstoffen in Europa zu sichern. Es ist wirklich beschämend. Afrika muss aufhören, den Bedürfnissen des Globalen Nordens zu dienen, und seinen eigenen Weg in eine nachhaltige Zukunft finden.

Was sind Ihre Hauptsorgen bezüglich dieser geplanten Pipeline?

Ich fürchte, dass die Menschen in Uganda und Tansania die gleichen verheerenden Folgen erleben werden wie jene im Niger-Delta. Bei einem Besuch in der Region habe ich die schrecklichen Bedingungen gesehen, die Jahre nach Beginn der Ölkatastrophe immer noch bestehen. Die lokalen Gemeinschaften wurden ihrer Lebensgrundlagen beraubt; sie kämpfen darum, Feldfrüchte anzubauen oder Fische zu fangen, weil Land und Wasser mit Öl verseucht sind. Sogar frische Luft zu atmen ist schwierig. Den Leuten wird empfohlen, Luftreiniger zu kaufen, was sich viele nicht leisten können. Stattdessen leben sie mit der ständigen Angst, jederzeit an Lungenversagen zu sterben. Dies ist ein drastisches Beispiel dafür, wie Milliardäre und Konzerne Menschen entwürdigen, um ihre Profite zu maximieren. Sobald sie herausgeholt haben, was sie wollen, packen sie zusammen und überlassen die Betroffenen sich selbst.

Wie können Politiker*innen aus Deutschland den Kampf für Klimagerechtigkeit unterstützen?

Ich könnte vorschlagen, dass sie sich für ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen und Investitionen in den Loss and Damage Fund einsetzen, aber die Wahrheit ist – das wissen sie bereits. Deshalb müssen wir uns als junge Menschen und Mitglieder der Zivilgesellschaft zusammentun und für eine starke Klimapolitik eintreten. Echter Wandel kommt von der politischen Basis und von Einzelnen, die in ihren Gemeinschaften einen Unterschied machen.

Deutsche Politiker*innen können dies unterstützen, indem sie Ressourcen wie Laptops für Graswurzelaktivist*innen bereitstellen. Das mag einfach erscheinen, aber es würde wirklich helfen. Mit Zugang zu Technologie können sich Aktivist*innen weiterbilden, Klimaverhandlungen online verfolgen und soziale Medien nutzen, um bei ihren Mitmenschen für Klimaschutzmaßnahmen zu werben.

Es scheint, als läge Ihre Hoffnung in der Zivilgesellschaft und nicht in den Regierungen…

Ja. Um ehrlich zu sein, bin ich von den meisten Politiker*innen wirklich enttäuscht, da viele ihrer Versprechen leer sind. Im vergangenen Jahr war ich oft deprimiert und ängstlich. Es gibt so viel Ungerechtigkeit in dieser Welt, es ist frustrierend. Die meisten Politiker*innen sehen den Klimawandel nicht als die Krise, die er ist, obwohl seine Auswirkungen bereits allgegenwärtig sind. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden mehr Menschen weltweit unter seinen Folgen leiden und sterben.

Wenn man sich kleine Inselstaaten wie Tuvalu, Mauritius, Kiribati usw. ansieht, wird deutlich, dass wir jetzt handeln müssen, oder eine ganze Zivilisation und ihr Erbe könnten verschwinden. Echter Wandel ist nie einfach, aber meiner Meinung nach ist es weitaus besser, aktiv zu handeln und auf eine nachhaltige Zukunft für alle hinzuarbeiten, als einfach auf die Klimakatastrophe zu warten.

Das Interview führten Jana Otten und Jonas Daldrup.