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Teresa Lifuka-Drecala: Das Meer überflutet unsere Straßen, unsere Häuser – alles.

Teresa Lifuka-Drecala im Gespräch mit denkhausbremen über den steigenden Meeresspiegel, der ihren Inselstaat bedroht, die schwierige Entscheidung der Menschen aus Tuvalu, ihr Heimatland zu verlassen und die Notwendigkeit, benachteiligte Bevölkerungsgruppen angesichts des Klimawandels zu unterstützen. Teresa Lifuka-Drecala ist Juristin und als Direktorin und Vorstandsmitglied unter anderem bei der Tuvalu Association of NGOs und dem Tuvalu National Youth Council aktiv. Sie engagiert sich für eine nachhaltige Entwicklung in Tuvalu.

denkhausbremen: Was bedeutet Klimagerechtigkeit für Sie? 

Teresa Lifuka: Für mich geht es darum, dass die Menschen in Tuvalu und in jedem anderen Land die Hilfe und Unterstützung erhalten, die sie wirklich brauchen, gerade angesichts des Klimawandels. Entscheidend ist, dass die Hilfe die einfachen Menschen erreicht – auf dieser Ebene arbeite ich. Klimagerechtigkeit bedeutet für mich, vor Gericht für unsere Anliegen zu streiten – das ist sehr wichtig –, aber auch finanzielle Mittel zu erhalten, um lokalen Gemeinschaften beim Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels zu helfen.

Als eines der am stärksten betroffenen Länder hat Tuvalu einen sehr großen Bedarf nach Unterstützung. Wie steht es mit dem Verursacherprinzip? Tuvalu als Nation ist weit davon entfernt, ein großer Verursacher von CO2-Emissionen zu sein, dennoch sind wir diejenigen, die schwerwiegend betroffen sind, sogar in unserer Existenz als Land bedroht. Nicht nur Tuvalu, sondern auch andere Inselstaaten weltweit.

Welche Art von Unterstützung haben Sie im Sinn? 

Auf globaler Ebene haben wir z. B. die Menschenrechte und die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Dort wird auch über Mechanismen im Bereich der Klimaanpassung und des Schadensausgleichs diskutiert. Aber diese Anliegen haben Länder wie Tuvalu bereits seit 1993 bei der UNFCCC vorgebracht – und erst jetzt beginnen wir, sie wirklich anzuerkennen. Wird es weitere 30 Jahre dauern, bis das endlich umgesetzt wird?

Ich finde es gut, dass unsere Regierungen diese Themen gemeinsam mit anderen vorantreiben und andere Länder zur Rechenschaft ziehen. Doch wenn ich persönlich über Klimagerechtigkeit nachdenke, dann übertrage ich sie auf die Ebene der örtlichen Gemeinschaften. Ich stelle mir Hilfe vor, die echt ist und unsere Verwundbarkeit klar anerkennt.

Wir haben viele Spender*innen und finanzielle Unterstützung, aber sie alle haben ihre eigenen Kriterien, denen wir folgen müssen – für mich ist das überhaupt nicht echt. Woher wollen sie wirklich wissen, was die Menschen in Tuvalu brauchen? In Wirklichkeit sind die meisten Projekte zwar für die Menschen, aber sie liegen nicht in ihren Händen. Anstatt einfach Geld in Tuvalu auszugeben, ohne jede Nachhaltigkeit, brauchen wir einen gerechten Zugang zu Ressourcen, der auf lokaler Ebene gesteuert wird.

Der steigende Meeresspiegel ist sicherlich das am meisten diskutierte Thema, wenn es um die Auswirkungen des Klimawandels geht, denen die pazifischen Inseln gegenüberstehen. Gibt es noch andere Auswirkungen, die die Menschen in Tuvalu betreffen?

Mit dem Klimawandel erleben wir einen Anstieg des Meeresspiegels und Sturmfluten, extreme Sturmfluten. Das Meer überflutet unsere Straßen, unsere Häuser – alles. Der steigende Meeresspiegel spült Treibgut auf unsere Straßen. Immer wieder gibt es Straßensperren, sodass Kinder nicht pünktlich zur Schule kommen. Die Menschen an den Enden der Inseln, wo dies meistens passiert, kommen nicht rechtzeitig zur Arbeit. Generell stellen die Folgen des Klimawandels gerade für gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Ältere, Kinder oder behinderte Menschen eine besonders große Herausforderung dar.

Durch die Erosion der Küste wird das Land immer knapper – besonders in der Hauptstadt Funafuti, wo der Großteil unserer Bevölkerung lebt. Wir verlieren Land, wir haben während einiger Zyklone bereits ganze Inseln verloren. Unsere kleine Nation wird immer stärker eingeschränkt, wir leben in überfüllten Gemeinden.

Nicht zu vergessen die Versalzung, die auch ein echtes Problem für uns ist. Der Salzgehalt in unserem Boden ist sehr hoch, dadurch haben wir sehr salziges Gemüse. Der Anbau von Gemüse, das für einen selbst und die Familie essbar ist, erfordert sehr viel Mühe bei der Bearbeitung des Bodens. Wie schaffen wir es, unsere Versorgung in Tuvalu aufrechtzuerhalten?

Wissenschaftler*innen haben vorausgesagt, dass Tuvalu bis zum Jahr 2050 unbewohnbar sein wird… 

Ja, ich betone das immer wieder. Das ist die Realität: Wir werden bis 2050 unbewohnbar sein. Wir wollen aber nicht unbewohnbar sein! Dies ist unsere Heimat, dies ist wo wir leben wollen. Neben den physischen und gesundheitlichen Folgen des Klimawandels gibt es auch psychologische Auswirkungen. Es herrscht Angst, dass wir unser Land und unsere kulturelle Identität verlieren. Dass wir nicht genug zu essen haben, nicht genug Trinkwasser. Dies führt zu Spannungen in den Familien – die Angst ist real.

Im Jahr 2023 unterzeichneten Tuvalu und Australien ein Abkommen, das es den Bürger*innen von Tuvalu in Zukunft ermöglicht, nach Australien auszuwandern. Das „Falepili-Abkommen“ wurde als bahnbrechend bezeichnet, da es das weltweit erste Umsiedlungsabkommen aufgrund des Klimawandels ist. Wie wird darüber in Tuvalu diskutiert? 

Nun ja, es mag bahnbrechend sein, aber es hat auch viele Herzen gebrochen, das kann ich sagen. Wie ich bereits betont habe, wollen die meisten von uns nicht umziehen. Ich würde gerne für immer in meinem Land bleiben und meine Kinder und deren Kinder hier leben lassen. Aber die Realität ist, dass Tuvalu bis 2050 unbewohnbar sein wird, und dass Maßnahmen ergriffen werden müssen.

Trotzdem war ich ziemlich verärgert, als dieses Abkommen erstmals verkündet wurde. Denn wenn solche Verträge von Regierungen bestätigt und unterzeichnet werden, dann gibt es normalerweise vorher eine öffentliche Konsultation. Es gab bei uns damals aber keine Konsultation und keine Transparenz. Ich war besorgt über die Sicherheitsbestimmungen in diesem Vertrag, ich hatte das Gefühl, dass wir Australien zu weit entgegenkommen. Aber wenn dies ein Weg zur Migration in Zeiten des Klimawandels ist, den unsere politische Führung beschreitet, um sicherzustellen, dass wir eine Zukunft haben – dann möchte ich sie dafür loben.

Es ist schwer vorstellbar, dass eine ganze – wenn auch kleine – Nation ihre Heimat verlässt und in ein anderes Land zieht. 

Es ist schwierig. Ich sorge mich darum, was das für unsere Identität und Souveränität als Menschen von Tuvalu bedeuten könnte. So großartig die australischen Initiativen in Tuvalu zur Hilfe und Unterstützung auch gewesen sein mögen – dies ist immer noch ein Land, das die Rechte seiner eigenen indigenen Bevölkerung nicht anerkennt. Wie sollen wir dann sicher sein, dass sie uns respektieren, die von außen kommen? Für mich als Indigene ist das ein erhebliches Risiko. Ich vertraue darauf, dass die neue Regierung in den letzten Details des Vertrags an diesem Punkt arbeitet.

Sie sagten, dass alle bleiben möchten – gibt es hier Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Menschen? 

Es gibt sowohl junge Leute, die nicht weggehen wollen, als auch Ältere, die bereits gegangen sind. Und man kann ihnen wirklich keinen Vorwurf machen. Denn die Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen, liegen in besseren Arbeitsmöglichkeiten, Zugang zu Gesundheitsdiensten, besseren Bedingungen für ihre Kinder. Wenn es um unsere Kinder geht, ist das etwas, worüber man einfach nicht streiten kann – ihnen das bestmögliche Leben zu ermöglichen. Für die meisten Menschen in Tuvalu, mit denen ich gesprochen habe, sind das die Gründe. Es dreht sich immer um die Familie, ihr ein besseres Leben zu ermöglichen.

Was könnten Politiker*innen in Bremen zur Klimagerechtigkeit beitragen? 

Ich finde es sinnvoll, zuerst im eigenen Umfeld anzupacken und dort Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit umzusetzen, bevor man anderen hilft. Unterstützen Sie verwundbare und marginalisierte Bevölkerungsgruppen bei Ihnen vor Ort, die stark vom Klimawandel betroffen sind!

Neben der internationalen Zusammenarbeit geht es auch darum, praktische Initiativen im eigenen Land zu ergreifen, für eine angemessene Gesundheitsversorgung, ordentliche sanitäre Einrichtungen sowie Zugang zu Wasser und Nahrung für benachteiligte Menschen. Ich bin fest davon überzeugt, NGOs und andere Interessengruppen einzubeziehen, denn der Kampf gegen den Klimawandel ist nicht nur die Verantwortung von Regierungen, sondern von uns allen.

Das Interview führten Jana Otten und Jonas Daldrup.