Von Peter Gerhardt –
(Die englische Version dieses Beitrags findet sich hier.) Dieser denkhausbremen-Artikel ist unter anderem von The Ecologist, World Rainforest Movement Bulletin, Redd Monitor, Welt-Ernährung und Robin Wood Blog übernommen worden.
-Es klingt ein bisschen wie im Märchen. Multinationale Konzerne zerstören Wälder und treten Menschenrechte mit Füßen. Durch das Engagement internationaler Umweltschutzorganisationen werden diese in wenigen Monaten dann zu verantwortungsvollen Unternehmen. Palmöl- und Papiermultis wie Wilmar, Golden Agri, APRIL (Asia Pacific Resources International Limited) oder APP (Asia Pulp and Paper) haben diese wundersame Metamorphose vom Kahlschlag-Konzern zum Regenwaldschützer in Indonesien bereits durchlaufen. All diese Firmen haben jetzt eine „Zero-Deforestation-Policy“. Parallel dazu haben Konsumgüterriesen wie Nestle, Unilever, Mars, L’Oreal, Procter & Gamble oder Colgate-Palmolive, die Palmöl als Rohstoff benötigen, ähnliche Versprechen abgegeben.
Greenpeace WWF und Co. scheint zu gelingen, woran indonesische Umweltgruppen sich seit Jahren die Zähne ausbeißen: Notorische Regenwaldzerstörer zur Besserung zu bewegen. Die Drehbücher für diese Geschichten gleichen sich. Zunächst wird ein großer Konzern mit einer aufwändigen Kampagne in Nordamerika oder Europa an den Verhandlungstisch gezwungen. Dort wird zäh gerungen, aber fast immer kommt es zum Happy End: Der Konzern gelobt öffentlich Besserung und die an der Kampagne beteiligten Organisationen klatschen dazu Beifall und feiern sich selbst. Die anschließende Umsetzung der vereinbarten Ziele übernimmt dann eine Consultingorganisation wie der Tropical Forest Trust.
Jenseits der Erfolgslyrik in den Pressemitteilungen von beteiligten Konzernen und NGOs werden aber auch kritische Stimmen laut. Welchen Wert haben all diese No-Deforestation-Versprechen eigentlich?
Für Konzerne wie APP kommen diese Deals zur rechten Zeit. APP hat mittlerweile genug Landfläche unter Kontrolle gebracht, um hinreichend Akazienplantagen für seine Zellstoffproduktion etablieren zu können. Dementsprechend leicht fällt es APP, sich gemeinsam mit Umweltorganisationen gegen weitere Regenwaldzerstörung auszusprechen. Außerdem machen indonesische Regelungen und Gesetze, wie das 2011 erstmals in Kraft getretene Waldeinschlags-Moratorium, den Regenwaldzerstörern zunehmend das Leben schwer. Die Drecksarbeit – APP war lange Zeit der größte Waldzerstörer auf dem Planeten – hat der Konzern ohnehin in der Vergangenheit erledigt. Noch vor einigen Jahren hat APP auf der Halbinsel Kampar Torfregenwälder vernichtet. Jetzt klingelt bei APP die Kasse: Der US-Büroriese Staples hat angekündigt, wieder mit dem indonesischen Konzern Geschäfte machen zu wollen. Staples hatte 2008 aufgrund der Umweltverbrechen die Zusammenarbeit mit APP gestoppt.
Auch der Palmölkonzern Wilmar verspricht, seit 2013 gemeinsam mit Umweltorganisationen, eine Produktion ohne Waldzerstörung. Damit das grüne Image keine Kratzer bekommt, wurdenproblematische Tochterfirmen einfach ausgelagert – wie im Fall von PT Asiatic Persada . Nachdem ein Landkonflikt mit der lokalen Bevölkerung zunehmend eskalierte, wurde Asiatic Persada innerhalb der Familie Sitorus an die Ganda Group verkauft, die vom Bruder des Wilmar Co-Gründers Martua Sitorus kontrolliert wird. Auf dem Papier ist Wilmar die Verantwortung los, lässt sich nach Informationen der indonesischen NGO Perkumpulan Hijau aber weiterhin von Asiatic Persada mit Rohstoffen beliefern. Die Bevölkerung wird jetzt noch blutiger unterdrückt und in Nigeria ist Wilmar mit seinen Palmölplantagen in einen Nationalpark eingedrungen.
Einen Schritt weiter ging das Management von APRIL. Im vorauseilenden Gehorsam hat der Zellstoffgigant Januar 2014 eine Nachhaltigkeitsstrategie vorgelegt und kam damit einer absehbaren internationalen Öko-Kampagne gegen sich zuvor. In dem von APRIL installierten Stakeholder Advisory Committee, das die Nachhaltigkeitsstrategie überwachen soll, befindet sich jetzt auch der WWF. Das ist bemerkenswert, denn 2005 waren die Umweltschützer bei Deals mit APRIL schon mal auf die Nase gefallen. Ungeachtet der Vereinbarungen produzierte APRIL sein Papier damals weiterhin aus Tropenwäldern. Nach wenigen Jahren gab der WWF entnervt auf.
Weitere Fragen bleiben offen: Ist das vielleicht eine neue Form von Kolonialismus, eine Art NGO-Kolonialismus? Welche Legitimation haben eigentlich WWF, Greenpeace und die anderen internationalen Umweltkämpfer, wenn Sie in Indonesien Abkommen mit notorischen Umweltverbrechern schließen? Wurde im Vorfeld mit der betroffenen Bevölkerung gesprochen, die Landrechtskonflike mit Wilmar, APP, April und Co. austrägt? Gab es also so was wie „Free Prior Informed Consent“?
Von einem Expansionsstopp ist in den grünen Versprechen der Konzerne ebenfalls nicht die Rede. Dabei war und ist das eine zentrale Forderung vieler indonesischer NGOs an die Zellstoff- und Palmöl-Industrie in ihrem Land. Vielmehr besteht die Gefahr, dass andere Firmen in Zukunft in Indonesien die Zerstörung der Primärwälder übernehmen.
Vieles deutet darauf hin, dass die großen Umweltorganisationen gefangen sind in ihrer eigenen Kampagnenlogik. Die Spender in den Industrieländern müssen mit scheinbaren Erfolgen bei der Stange gehalten werden und interessieren sich in erster Linie für Regenwälder oder Orang Utans. Dementsprechend sprachlich angepasst sind Ökokampagnen und die grünen policies der Konzerne: Die Überschriften lauten “No-Deforestation” oder „tiger free ice crème”. Von Menschenrechten und Landrechtskonflikten ist nur in Nebensätzen die Rede.
Die Konkurrenz um Erfolge und Aufmerksamkeit führt mittlerweile zu der paradoxen Situation, dass sich große Umweltorganisationen gegenseitig Stöcke zwischen die Beine werfen. Während eine NGO die grünen Versprechen ihres „Partner“-Konzerns über den grünen Klee lobt, lässt eine andere Organisation keine Gelegenheit aus, um die Fehler und Probleme dieser Partnerschaft anzuprangern.
Wäre es nicht langfristig erfolgreicher, wenn, jenseits aller Egoismen, die Handlungsfähigkeit der vielen indonesischen NGOs durch die internationale community gestärkt würde. Diese könnten als wahre Fürsprecher von Menschenrechten, Demokratisierung und Umweltschutz gestärkt werden und mit dafür sorgen, dass Landrechte für Waldbewohner nicht nur auf dem Papier existieren. Das wäre weniger spektakulär als Senior Level Abkommen mit Multinationalen Konzernen.
Es wäre außerdem gut, die Rolle der Zertifizierer, Gutachter und Consultingorganisationen näher zu bewerten. All diese Dienstleister spielen bei der Umsetzung der Öko-Deals eine entscheidende Rolle. Sie heißen Pro Forest, Rainforest Alliance oder Tropical Forest Trust und bezeichnen sich selbst als unabhängige Gutachter und Berater. Aber was ist von deren Unabhängigkeit zu halten, wenn diese von den zu überprüfenden Firmen für ihre Arbeit bezahlt werden? Die Vergangenheit in Indonesien ist voll von Beispielen, wo angeblich unabhängige Kontrolleure Gefälligkeitsgutachten abgeliefert haben. Wer garantiert eigentlich, dass es diesmal anders sein sollte?
Wer zieht Konzerne wie APP jetzt eigentlich für die Verbrechen der Vergangenheit zur Verantwortung? Was ist mit dem Rechtsgefühl der vielen APP-Opfer aus den vergangenen Jahrzehnten, wenn diese jetzt mit ansehen müssen, dass dieser Konzern unter dem Applaus der Umweltverbände glänzende Geschäfte macht?
Dem Autor ist bewusst, dass auch gute Argumente dafür sprechen, um sich mit Raubaukonzernen an einen Tisch zu setzen. Außerdem haben internationale NGOs wie Greenpeace zweifelsohne ihre großen Verdienste. Nichts desto trotz ist es wichtig, auch die Arbeit von Non-Profits kritisch zu reflektieren. Insofern soll dies ein Debatten-Beitrag sein, der nicht mit dem Duktus der Allwissenheit daherkommen will.
http://www.mars.com/global/about-mars/mars-pia/our-supply-chain/our-strategy-and-priorities.aspx#deforestation
http://www.pg.com/en_US/sustainability/policies_practices/palmoil.shtml
http://investor.colgate.com/pressroom/releaseDetail.cfm?ReleaseID=834886&ReleaseType=Company&ReleaseDate=03/24/2014
http://www.climateadvisers.com/tft-and-climate-advisers-welcome-wilmars-transformative-policies-to-protect-forests-and-people/
http://www.asiapulppaper.com/sustainability/vision-2020/forest-conservation-policy
http://www.wilmar-international.com/wp-content/uploads/2012/11/No-Deforestation-No-Peat-No-Exploitation-Policy.pdf
http://www.robinwood.de/wordpress/blog/tropenwald/2014/03/getoetet-fuer-palmoel-gewalt-gegen-die-letzten-waldnomaden-indonesiens-eskaliert/
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0264837713002238
http://www.aprilasia.com/news/APRIL%20SFM%20POLICY.pdf
http://awsassets.panda.org/downloads/140205_app_buyers_and_investors_advisory_final.pdf
http://news.mongabay.com/2014/0130-rainforest-alliance-app.html
Toller, toller Text!
Mein Eindruck: je verheerender ein Konzern, desto größer die öffentlich/mediale Bereitschaft, die „Metamorphose“ zu glauben. Wie unlängst die Taz das Auffortsungsprojekt von APP(!)/WWF/Greenpeace in Indonesien als einen „Hoffnungsschimmer“ bezeichnete – unter der denkwürdigen Überschrift „Papierkonzern schützt Wälder“ http://www.taz.de/!137591/