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Hans-Jürgen Thies, CDU: Rohstoffimporte für Bioökonomie vermeiden

Hans-Jürgen Thies im Gespräch mit denkhausbremen. Hans-Jürgen Thies ist für die CDU im Deutschen Bundestag und ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. 

denkhausbremen: Was verbinden Sie mit Bioökonomie?

Hans-Jürgen Thies: Global denken, lokal handeln. Es ist zwar schon ein bisschen abgedroschen, hat aber an Gültigkeit nichts verloren. Wir müssen als hochentwickeltes Land eine Vorreiterrolle bei der Bioökonomie spielen. Wir haben durchaus viele Ressourcen im wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich, um neue Wege anzugehen. Daher kommt uns eine besondere Verantwortung zu. Als hochentwickelte Industrienation verbrauchen wir natürlich auch mehr Ressourcen als Länder, die sich noch in der Entwicklung befinden. Darüber hinaus müssen wir konkrete Ziele definieren, damit wir wissen, welche Wege wir einschlagen müssen.

Nennen Sie doch mal ein konkretes Ziel als Beispiel…

Es ist zwar banal, aber wir müssen erreichen, dass das Leben auf unserer Erde auch noch in 100 oder 200 Jahren für die Menschen lebenswert ist. Weitere Zeitsprünge auf 500 oder 1.000 Jahre wage ich nicht zu beschreiten. Ich komme selbst aus der Landwirtschaft, habe hier Jahrzehnte Erfahrung und weiss, dass es in Land- und Forstwirtschaft um Nachhaltigkeit geht. Man muss mit den Ressourcen wirklich behutsam umgehen; man kann nicht mehr entnehmen, als auf natürliche Weise nachwächst.

Passt das denn aktuell? Wenn ich an die aktuelle Bioenergie-Debatte denke, sagen selbst konservative Bauern, dass die Landschaft langsam „vermaist“..

Es gibt in der ganzen Diskussion nicht die eine Wahrheit. Ihr Beispiel Mais zeigt einen ganz typischen Verlauf: Zunächst wurde es als Tierfutter eingesetzt und erst in den letzten Jahren immer stärker für die Erzeugung von Energie als Ersatz für die endlichen fossilen Brennstoffe. Erst jetzt wird immer deutlicher, welche ökologisch nachteiligen Folgen mit dem massiven Maisanbau verbunden sind. Ich bin auch Jäger und habe daher die Veränderungen in unserer Kulturlandschaft genau beobachtet: Wir haben einen dramatischen Artenschwund; das fängt mit den Insekten an, geht dann über die Vögel bis zu den bodengebundenen Tierarten. Neben dem Einsatz von Insektiziden sehe ich hier vor allem die Vernichtung von natürlichen Lebensräumen als Ursache.

Haben Sie nicht Bedenken, dass sich diese negativen Effekte verstärken, wenn im Rahmen einer Bioökonomie deutlich mehr Industriepflanzen angebaut werden?

Die Bioökonomie darf natürlich nicht aus den Augen verlieren, dass wir eine Aufgabe für die Ernährung der Weltbevölkerung zu erfüllen haben. Im Jahre 2050 erwarten wir bis zu 10 Milliarden Menschen auf der Welt. Da kommen dann noch Probleme mit dem Klimawandel in vielen Regionen dazu. Daraus ergibt sich auch eine ethische Frage: Ist es in Ordnung ist, Böden für den Anbau von Tierfuttermitteln oder sogar für die Energiegewinnung zu nutzen, obwohl sie geeignet für den Anbau von Lebensmitteln wären? Das ist eben der Spagat. Wenn wir von den fossilen Brennstoffen weg und Erdöl aus den Produktionsketten verdrängen wollen, nehmen wir der Ernährungswirtschaft weltweit Ressourcen weg.

Steuern wir nicht sogar auf einen vermehrten Import von Biomasse zu, wenn wir unseren Lebensstandard auch ohne fossile Energien halten wollen?

Diese Sorge teile ich. Mir kommt beim Gedanken an Import von Biomasse aus anderen Weltregionen sofort die Assoziation, dass wir dort Dinge ausplündern. In vielen Regionen findet häufig Raubbau statt und die Prinzipien der Nachhaltigkeit werden oft missachtet. Das sehen wir z.B. in den weltweiten Palmöl-Plantagen, was ich als sehr bedenklich bewerte. Es sollte also im Rahmen einer Bioökonomie möglichst vermieden werden, Rohstoffe im großen Maßstab nach Deutschland zu importieren. So werden auch lange Transportwege vermieden. Wir müssen selbst versuchen, mit unseren eigenen nachwachsenden Rohstoffen etwas anzustellen.

Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?

Ich sehe wie noch viel Holz bei uns nicht richtig verwertet, sondern geschreddert wird. Allein das Straßenbegleitgrün könnte man zum Beispiel auch zum Heizen einsetzen. Unsere guten Ackerböden sind aber eigentlich zu Schade zum Anbau von Pflanzen für die Energiewirtschaft.

Wie stehen Sie denn zu Gentechnik? Einige behaupten ja, es wäre eine große Chance unsere Nutzpflanzen zu optimieren…

Bei der Bevölkerung in Europa gibt es eine hohe Abneigung gegen Gentechnik. Auch die Richtlinien der EU schränken Gentechnik sehr stark ein. Nach meiner Auffassung muss man bei dieser Technologie verschiedene Stufen und Verfahren unterscheiden: Es gibt da die Mutagenese, die nur die Mendelschen Gesetze fortentwickelt, aber nicht essentiell ins Erbgut eingreift. In anderen Techniken greift man dann tatsächlich manipulativ in das Erbgut ein und erschafft etwas völlig Neues, was die Natur nie hätte hervorbringen können. Dem stehe ich erstmal mit einer gewissen Unsicherheit und Skepsis gegenüber. Wir wissen nicht, welche Langzeitwirkungen das haben und was das in unserer Umwelt bei Mensch, Tier und Pflanzen verändern kann. Andererseits gibt es Wissenschaftler, die berichten, dass es in den letzten 30 Jahren keinen Beweis dafür gebe, dass Gentechnik gesundheitsschädlich sei. Daher gibt es auch Stimmen, die sagen, wenn wir die Ernährungsprobleme der nächsten 100 Jahre lösen wollen, kommen wir besonders im Bereich der Pflanzenzüchtung um Gentechnik nicht herum. Das ist das Spannungsfeld…

Sollten die Zivilgesellschaft und Bevölkerung verstärkt in der Bioökonomie-Debatte mitreden?

Ich finde schon. Hier hat natürlich auch die Politik eine Mitverantwortung. Aber auch andere müssen diese Themen in die Gesellschaft hineintragen. Dazu gehören die Medien und auch die Umwelt- und Verbraucherschutz-Verbände. Das Bewusstsein der einzelnen Verbraucher für diese Themen ist mittlerweile durchaus vorhanden. Die Menschen schauen beim Einkaufen schon genauer hin, woher z.B. ihre Lebensmittel herkommen. Da tut sich was in der Gesellschaft.

denkhausbremen: Haben wir nicht ein Wohlstandsniveau erreicht, das völlig verrückt ist und uns auch nicht glücklich macht? Besteht nicht gerade bei der Transformation von fossilen auf biogene Energieträger die Chance, unsere Konsum-Ansprüche zu verringern und unsere gesamte Wachstumsstrategie mal in Frage zu stellen?

Die Frage in vom Ansatz her völlig berechtigt. Da kann zunächst jeder seinen eigenen Konsum mal hinterfragen. Fakt ist natürlich, dass wir seit Jahrzehnten in einem System leben, das wachstumsorientiert ist. Hier postulieren viele den Satz: Ökonomischer Stillstand ist gleich Rückschritt. Wir sind auch in einem globalen Wettbewerb mit anderen Kulturen und Wirtschaftssystemen. Die Politik wird hier auch immer von der Erwartungshaltung der Menschen getrieben: Die wollen nicht nur Frieden und Freiheit, sondern auch einen gewissen Wohlstand. Davon kann sich auch keiner so ganz freimachen. Langfristig müssen wir in der Bevölkerung jedoch durchaus ein Bewusstsein dafür schaffen, ob denn wirklich der dritte Flug in den Urlaub oder der Zweitwagen nötig ist.

Betrifft Bioökonomie auch die soziale Frage in unserer Gesellschaft?

Bei der Bioökonomie kann man wirtschaftliche Prozesse auch nicht von sozialen Fragen abkoppeln. Bioökonomie darf nicht nur ein Thema für die gehobene Mittelschicht sein. Das gilt national und erst recht global, wo die sozialen Verwerfungen noch größer sind.