Alle Artikel in: Soziale Gerechtigkeit

Sylvia Brennemann (Mieterinit. Marxloh): 1500 Menschen haben ihren Wohnraum erhalten!

Die beiden Bürgerinitiativen “Gegen den Häuserabriss in Duisburg-Marxloh” und “Mieterinitiative Zinkhüttensiedlung Duisburg” konnten nach ihren Angaben den Wohnraum von insgesamt 1.500 Betroffenen vor Ort erhalten. denkhausbremen hat mit Sylvia Brennemann, die maßgeblich diese Initiativen mitkoordiniert hat, dieses Gespräch geführt. Das Interview fand am 18. November 2019 im Sozialpastoralen Zentrum Petershof in Duisburg-Marxloh statt. denkhausbremen: Wie entstand das Engagement der Betroffenen in Duisburg-Marxloh gegen den Abriss ihrer Häuser? Sylvia Brennemann: In 2003 kam das Projekt “Grüngürtel Duisburg-Nord”, das von Thyssenkrupp und der öffentlichen Hand (Stadt, Land NRW, Bund und EU) getragen wurde. Für die Schaffung von neuen Grünflächen sollte gut ein Fünftel aller Gebäude hier in Marxloh dem Erdboden gleich gemacht werden. Da haben wir mit einer aktiven Gruppe von Marxloher*innen gemeinsam mit den konkret betroffenen Menschen diesen Flächenabriss verhindert. denkhausbremen: Wie sah der Widerstand gegen dieses Projekt konkret aus? Sylvia Brennemann: Eine Gruppe alteingesessener Marxloher*innen hat einfach die Wut gepackt. Wir sind dann gemeinsam durch die betroffenen Straßen gegangen, haben Flyer verteilt, auf den die Kontaktdaten der zuständigen Bezirksvertreter*innen aufgelistet waren, mit dem Hinweis: “an …

Barbara Hendricks: Umweltverbände starren zu stark auf eine hohen CO2-Preis

Barbara Hendricks im Gespräch mit denkhausbremen. Die ehemalige Bundesumweltminsterin und SPD-Bundestagsabgeordnete erläutert die Versäumnisse der SPD in der Klimapolitik, spricht über soziale Gerechtigkeit beim Klimaschutz und den Einsatz von Biomasse bei der Energieerzeugung. Foto: © Deutscher Bundestag/ Inga Haar. denkhausbremen: Hat der Klima-Zeitgeist die SPD kalt erwischt? Was ist Ihre Analyse? Barbara Hendricks: Ja, das ist bedauerlicherweise so. In meiner Amtszeit als Bundesumweltministerin habe ich durchaus Unterstützung von den Fachpolitiker*innen gehabt, aber keinen ausreichenden Rückenwind aus meiner Partei. Das ist ein klares Versäumnis der SPD, das hätten wir ein paar Jahre früher deutlich machen können. Wenn ich das mal für mich in Anspruch nehme, war ich ja durchaus das Gesicht für den Klimaschutz nach dem Pariser Klimaabkommen. Das hat sich die SPD aber nicht zunutze gemacht – auch in den Folgejahren 2016 bis 2018. Wie bewerten Sie das aktuelle Klimaschutzpaket der Groko?  Ich war am Anfang sehr skeptisch, habe mir das alles aber nochmals in Ruhe angesehen. Natürlich hätte man mit einem höheren Einstiegspreis bei CO2 anfangen können, dann hätten aber auch die Entlastungen anders sein …

Die Zukunft gehört allen!

Die Zukunft gehört allen! Von Michael Gerhardt und Peter Gerhardt „Die Kultivierung der Abstiegsangst seit der Einführung der SGB II-Gesetze (Hartz 4)  hat viel Schaden an der Demokratie angerichtet.” Diese kluge Analyse stammt nicht etwa von einem renommierten Thinktank, sondern von der Initiative Armutsnetzwerk aus Berlin. Unsere Gesellschaft ist deshalb gut beraten, nicht nur der gerade sehr lauten Klimabewegung zuzuhören, wenn zentrale Zukunftsfragen öffentlich verhandelt werden… An vielen Stellen unserer Gesellschaft wird derzeit diskutiert, wie wir in Zukunft leben wollen und welchen Lebensstil unser Planet überhaupt noch zulässt. In vermeintlichen Fachkreisen heißt das dann die sozial-ökologische Transformation. Zahlreiche Parteien und Verbände organisieren dazu in schöner Regelmäßigkeit hochkarätig besetzte Konferenzen. Politische Profiteure davon sind vor allem Die Grünen, die in aktuellen Umfragen gar als Kanzlerpartei gehandelt werden. Schüler*innen protestieren als „Fridays For Future“-Bewegung lautstark in unseren Metropolen für mehr Klimaschutz und sorgen damit für zusätzlichen Dampf im Kessel. Alle diese Protagonisten sind gut organisiert, bestens vernetzt und sorgen derzeit in Medien und Öffentlichkeit für größtmögliche Aufmerksamkeit. Eine Bevölkerungsgruppe wird an dieser Zukunftsdiskussion kaum aktiv beteiligt: Menschen …

Gastbeitrag im Weserkurier über erfolgreiche Klimapolitik

Langfristig erfolgreiche Klimapolitik geht nur gerecht Gastkommentar im Weserkurier über Klimapolitik von Peter Gerhardt,  31.05.2019 Fossile Energie muss teurer werden und Billigflieger sollen nicht mehr starten – Klimapolitik über den Geldbeutel, bei der die soziale Frage ausgeblendet wird, ist schädlich, warnt Gastautor Peter Gerhardt. Ungerechte Klimapolitik hat die Kraft, unsere Gesellschaft weiter zu spalten. Richtig gemacht, kann sie aber auch der Leitfaden für eine neue Gemeinschaftlichkeit sein. Damit wir beim Klimaschutz mit breiter Akzeptanz vorankommen, wäre es jetzt wichtig, die Diskussion nicht auf eine CO2-Steuer zu verengen. Ein Blick über den klimapolitischen Tellerrand machte schnell deutlich, dass es noch weitere bedeutende Baustellen gibt: ungebremstes Artensterben, Rohstoffknappheit und vor allem eine soziale Schere, die sich weiter dramatisch öffnet. Klimapolitik muss auch diese Probleme adressieren, wenn sie nachhaltig erfolgreich sein will. Leider ist das gerade nicht der Fall. Vor allem Klimapolitik über den Geldbeutel, bei der die soziale Frage ausgeblendet wird, geistert als laute Forderung durch die aktuellen politischen Debatten. Das klingt dann zum Beispiel so: Fossile Energie muss teurer werden und Billigflieger sollen nicht mehr starten. …

„Menschen mit Armutserfahrung als Experten der eigenen Situation anerkennen“

Zur Abschlussveranstaltung des Projekts „Zukunftslabore von unten“ unter dem Motto „Wie einkommensschwache Menschen sich selbst organisieren, selbst vertreten und so an der Gesellschaft teilhaben…“ konnte das denkhausbremen-Projektteam zahlreiche Vertreter*innen der am Projekt beteiligten Initiativen am Mittwoch, 08. Mai 2019, in Bremen begrüßen. Die Aktiven der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen, des Armutsnetzwerks sowie von ALSO Oldenburg diskutierten gemeinsam mit interessierten Bürger*innen und Bremer Politiker*innen den Themenbereich Partizipation und Engagement von Menschen mit geringem Einkommen. Nach einem Grußwort durch die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer, gab Projektleiter Michael Gerhardt in einem Impulsreferat einen Überblick über die Projektergebnisse und stellte die im Projektverlauf besuchten Initiativen vor. „Wichtig ist als erster Schritt eine veränderte Selbstwahrnehmung und öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit Armutserfahrung – als kompetente Akteure, und nicht als Betroffene oder Opfer“, betonte Michael Gerhardt. Dazu müsse ein niederschwelliger Zugang zu politischer Bildung für Menschen mit wenig Einkommen gewährleistet werden, damit eine Selbstermächtigung erfolgen könne. Darüber hinaus sei es notwendig, dass eine Initiative eine stabile Gruppe von Aktiven habe, die sich langfristig mit einem Kernthema beschäftige. Ferner sei dann …

Svenja Schulze: “Ich kann die Kohlekraftwerke nicht einfach abschalten”

denkhausbremen-Diskussion mit Bundesumweltministerin Bei der Podiumsdiskussion von denkhausbremen mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze kam die ganze Bandbreite der aktuellen Umwelt- und Klimadiskussion auf dem Tisch. Auf der Veranstaltung, die von Bürgermeister Carsten Sieling mit einem Grußwort eröffnet wurde, machte die Ministerin deutlich, dass Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nur zusammen funktionieren. Frau Schulze betonte, das die SPD entgegen landläufiger Meinung das Thema Umweltschutz mit dem damaligen Kanzler Willy Brandt auf die politische Agenda gesetzt habe. Peter Gerhardt von denkhausbremen erklärte, dass die Transformation in eine klimafreundliche Bioökonomie nur gelingen kann, wenn die nötigen Veränderungen sozial gerecht geschultert werden. Wissenschaftlerin Sybille Bauriedl von der Universität Flensburg bemängelte an der aktuellen Klimadebatte, dass Positivbeispiele wie Klimacamps von Jugendlichen unterbelichtet blieben, und dass die Klagen über reiche SUV-Fahrer uns nicht weiter bringen. Dem widersprach der Philosoph und Schriftsteller Leander Scholz. Er betonte, dass die Armen definitiv eine bessere Klimabilanz hätten, als der finanziell bessergestellte Teil der Bevölkerung. Scholz forderte statt dessen einen „ökologischen Kommunitarismus“ ein. Dass die Klimadebatte facettenreich ist und hier verschiedene Wahrheiten parallel existieren, machten die Fragen der über …

Erika Biehn (VAMV): Ich möchte ein Sandkorn im Getriebe sein!

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) wurde 1967 als „Verband lediger Mütter“ gegründet. Er vertritt heute bundesweit die Interessen von 2,7 Millionen Einelternfamilien, von Familien also, in denen ledige, getrennte, geschiedene oder verwitwete Eltern mit ihren Kindern leben. denkhausbremen hat mit der Vorsitzenden Erika Biehn am 15.4.2019 in Essen dieses Interview geführt. Erika Biehn hat darüber hinaus die Nationale Armutskonferenz (nak) mitgegründet. denkhausbremen: Wie ist Ihr Verband gegründet worden? Erika Biehn: Der Verband ist 1967 in Herrenberg von Luise Schöffel, einer ledigen Mutter, die gleichzeitig Lehrerin und Ratsherrin war, gegründet worden. Die Situation für ledige Mütter war damals noch sehr anders und sie hatten oft gesellschaftlich und rechtlich einen schweren Stand. Das ging teilweise bis zur Wegnahme des Kindes, weil ihnen nicht zugetraut wurde, ihre Kinder eigenständig ordentlich großzuziehen. Das kann natürlich heute auch noch geschehen, aber nicht mehr nur weil die Mutter alleinerziehend und unverheiratet ist. Da hat sich schon einiges geändert. Frau Schöffel hat damals in einer überregionalen Zeitung eine Anzeige geschaltet und über 100 Zuschriften zurückbekommen, mit zum Teil extremen …

Nikolas Migut: Die Öffentlichkeit wird empathisch, wenn sie sich angesprochen fühlt.

Nikolas Migut ist erster Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins StrassenBLUES e.V.. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Obdachlosen kreative Wege aus der Armut aufzuzeigen. Der Verein will in den gemeinsamen Begegnungen den gesellschaftlichen Status überwinden und sich mit Menschen auf der Straße auf Augenhöhe austauschen. denkhausbremen hat am 09. Januar 2019 dieses Interview mit Nikolas Migut in Hamburg geführt. [Das Beitragsfoto von Katharina Meßmann zeigt Nikolas Migut mit seiner Frau Milena Migut, die 2. Vorsitzende von StrassenBLUES e.V. ist.] denkhausbremen: Was war der Initialzündung zu Ihrem Engagement für obdachlose Menschen? Nikolas Migut: Ich habe als Journalist schon länger über Armut berichtet: Über Altersarmut zum Beispiel, da habe ich einen Film gemacht über Menschen um die 80, bei denen die Rente nicht reicht. Zunächst war das ein Bericht für das ARD-Magazin Panorama, anschließend wurde daraus noch ein Dokumentarfilm und ich war nun im Thema Armut richtig drin. Dann habe ich gemeinsam mit einem Kollegen dem NDR vorgeschlagen, einen Film über Obdachlosigkeit zu drehen. Das haben wir dann in der Obdachloseneinrichtung Bahnhofsmission am Zoo in Berlin auch realisiert. …

Selbstvertretung wohnungsloser Menschen: Sich ein Stück an Würde zurückholen.

Das Koordinierungstreffen der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen tagte vom 22. bis zum 25. Oktober 2018 in Freistatt (Niedersachsen). denkhausbremen war am 24.10.18 vor Ort und hat dieses Gruppeninterview u.a. mit Jürgen (Sulingen), Hanne-Lore (Lüneburg), Marcus (Hannover), Hans (Stuttgart), Stefan (Berlin), Michael (Berlin), Harald (Freistatt), Uwe (Lüneburg) und Christof (Freistatt) geführt. denkhausbremen: Wie ist die Initiative entstanden, was war die Initialzündung? Einigen langjährig Aktiven wie Jürgen Schneider und Stefan Schneider war aufgefallen, dass die Selbstorganisation wohnungsloser Menschen nicht besonders gut aufgestellt war, auf Tagungen wurden immer nur einzelne eingeladen. Es kam die Idee auf, dass man mehr tun könnte. Wir haben dann gesagt, wenn wir nun aus ganz Deutschland wohnungslose Menschen zusammenrufen, dann gucken wir mal, was passiert. Es brauchte dann einige Zeit: Wir mussten Geld organisieren und wir brauchten jemand, der das dann auch durchführt. Nachdem wir die Räumlichkeiten in Freistatt organisiert hatten, haben wir dann an einem gemeinsamen Konzept gebastelt. Im Jahr 2016 gab es dann das erste Wohnungslosentreffen. Die Zielsetzung war damals noch ergebnisoffen. denkhausbremen: Wie ging es dann weiter? Wir hatten die Förderung …

Martin Tertelmann (Denkfabrik): Spaltung unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen!

Martin Tertelmann ist Koordinator der Denkfabrik – Forum für Menschen am Rande sowie Bereichsleiter für Presse und Medien des Sozialunternehmens Neue Arbeit gGmbH in Stuttgart. Für bundesweites Aufsehen sorgte die Denkfabrik mit der Studie „Gib mir was, was ich wählen kann.“, in der Langzeitarbeitslose selbst langzeitarbeitslose Nichtwähler zu ihren Motiven befragen. denkhausbremen hat am 08. Oktober 2018 das Denkfabrik-Team besucht und dieses Interview geführt. denkhausbremen: Was genau ist die Denkfabrik und wie hat sie sich gegründet? Martin Tertelmann: Ich bin seit acht Jahren beim Sozialunternehmen Neue Arbeit gGMBH für Pressearbeit und Marketing zuständig. Im Jahr 2012 haben wir im Zuge der Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise die großen Kürzungen im Sozialbereich, besonders bei der Arbeitshilfe, erleben müssen. Es wurden von der Regierung die Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose insgesamt um etwa die Hälfte gekürzt. Darüber hinaus wurden die Rahmenbedingungen verschärft. Damals haben wir gesagt, wir wollen nicht nur reagieren, wir wollen anwaltschaftliche Lobbyarbeit für Langzeitarbeitslose auf allen föderalen Ebenen an den Start bringen. Darum haben wir die “Denkfabrik – Forum für Menschen am Rande” gegründet. Wir machen uns …