Die Demokratien in den europäischen Industriestaaten stehen im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung vor zahlreichen Herausforderungen. Die Gesellschaft driftet von der materiellen Leistungskraft immer weiter auseinander. Es lassen sich zahlreiche Absetzbewegungen beobachten: Stadt versus Land, reich gegen arm, digital gegen analog.
Wenige Superreiche erwirtschaften mit ihren Finanz- und Immobiliengeschäften immer größere Gewinne, wobei die Mittelschicht sich von finanziellem Abstieg bedroht sieht. Ein sogenannter “prekarisierter” Teil der Gesellschaft nimmt kaum noch an öffentlichen Prozessen teil und verharrt dauerhaft in niedrigen Lohnersatzleistungen und Mindestrenten. Auch stetiges Wirtschaftswachstum ändert daran für diesen Bevölkerungsteil nichts und trägt zu keiner Stabilisierung bei.
Darüber hinaus wird immer unklarer, was lokale und nationale Politik überhaupt noch bewirken können. Auch in Deutschland zieht mit der AfD erstmals seit den 70er Jahren eine rechtspopulistische Partei in den Bundestag; gleichzeitig gibt es eine Kernschmelze bei den Volksparteien, worunter besonders die Sozialdemokratie leidet.
Die Demokratie in Deutschland steht also vor immensen Herausforderungen: Auf allen Ebenen stellt sich die Frage, wie sieht es mit der Partizipation der Bevölkerung am politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess aus? Wie können gerade auch bisher resignierte und abgehängte Bevölkerungsgruppen wieder mitentscheiden und somit mitgestalten?
In diesem Kontext ist eine wichtige Perspektive für das Gelingen eines sozialen und ökologischen Wandlungsprozesses unserer Gesellschaft bisher unterrepräsentiert: Geringverdiener*innen und Bezieher*innen von Lohnersatzleistungen bzw. Niedrigrenten diskutieren hier kaum mit.
Mit seinem Projekt “Dialog Degrowth” hat denkhausbremen auf Bundesebene mit den großen Umweltverbänden und Aktivist*innen aus der wachstumskritischen Bewegung die Grenzen des Wachstums sowie mögliche Alternativen diskutiert. Dabei stellte sich heraus, dass die Diskussionen zu gesellschaftlichen Alternativmodellen von Akteuren (Akademiker*innen, Think Tanks, Aktivist*innen, Verbänden etc.) bestimmt werden, die gut vernetzt sind, aktiv partizipieren und guten Zugang zu Medien und Ressourcen haben.
Als klarer Mangel erweist sich somit, dass der untere und einkommensschwache Teil der Bevölkerung hier nicht mitdiskutiert, so dass eine wichtige Perspektive für das Gelingen eines sozialen und ökologischen Wandlungsprozesses fehlt.
Mit dem neuen Projekt “Zukunftslabore von unten” möchte denkhausbremen einen kleinen Beitrag dazu leisten, diese wichtige Lücke in der gesellschaftlichen Debatte zu schließen und die Sprachlosigkeit zwischen den Milieus zu überwinden.
Michael Gerhardt
(Projektleiter „Zukunftslabore von unten“)