von Jenny Walther-Thoß, WWF
Während die Weltbevölkerung rechnerisch wächst, wird die verfügbare Landfläche pro Person immer kleiner, während gleichzeitig die Nachfrage nach fossilen Rohstoffen wie Öl weiter steigt. Die Substitution fossiler Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe für den Übergang zu einer Bioökonomie kann nur gelingen, wenn wir insgesamt weniger produzieren und verbrauchen.
Foto: © Eva-Maria Lopez
In dieser Debatte ist die Bioökonomie für viele Akteure der Königsweg, um unser wachstumsorientiertes Wirtschaftssystem mit minimalen Anpassungen am Laufen zu halten. Der Grundgedanke ist folgender: Eine Prise Effizienz in Verbindung mit etwas mehr Recycling wird es uns ermöglichen, fossilen Kohlenstoff, von dem die Industrie derzeit weitgehend abhängig ist, durch erneuerbare Ressourcen zu ersetzen, ohne dass wir unser Konsumverhalten und unseren Lebensstil grundlegend ändern müssen.
Die „Vermaisung der Landschaft“ ist zum Symbol für fehlgeleitete Biokraftstoffsubventionen geworden und hat die Debatte im Energiesektor vorangetrieben. Die Vertreter der chemischen Industrie sind dagegen recht euphorisch, was neue Geschäftsfelder im Bereich der Biokunststoffe angeht.
Die folgenden Punkte zeigen sehr deutlich, dass eine bloße Substitution nicht möglich sein wird und dass wir stattdessen eine ernsthafte und weitreichende gesellschaftliche Debatte über unsere Ressourcennutzung und unser Konsumverhalten führen müssen.
1. Die verfügbare Landfläche pro Person nimmt ab, während die Weltbevölkerung wächst (siehe Abbildung).
2. die weltweite Nachfrage nach fossilen Rohstoffen wie Erdöl ist enorm. Sie ist in den letzten Jahren weiter gestiegen und lag 2018 bei 4,6 Milliarden Tonnen (1). Diese Menge deckt nur 32 % des weltweiten Primärenergiebedarfs. Allein der Verkehrssektor verbraucht jährlich 2,5 Milliarden Tonnen Öl (2).
Im Rahmen der Bioökonomie soll diese Menge durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Der weltweite Ertrag an pflanzlichen Ölen lag 2017/18 jedoch nur bei etwa 600 Millionen Tonnen; bei Getreide (einschließlich Mais und Reis) sind es etwa 2,6 Milliarden Tonnen (3). Holz ist bereits eine intensiv genutzte Ressource für viele wirtschaftliche Zwecke (z. B. Energie, Papier, Baumaterial). Eine stärkere Ausweitung der Waldnutzung für die Bioökonomie ist einfach nicht machbar.
Dieser Vergleich zeigt deutlich, dass das derzeitige Niveau des Verbrauchs und der Wirtschaftstätigkeit in keiner Weise durch den Ersatz von fossilem Kohlenstoff durch erneuerbaren Kohlenstoff erreicht werden kann.
Biomasse ist knapp, und nachhaltig erzeugte Biomasse ist noch knapper – daher ist es von entscheidender Bedeutung, die Bioökonomie auf eine deutlich geringere Produktion und einen geringeren Verbrauch, eine längere Produktlebensdauer und einen insgesamt kleineren ökologischen Fußabdruck auszurichten.
Referenzen:
(1) Weltweiter Rohölverbrauch von 1968 bis 2018.
(2) Weltweiter Rohölverbrauch nach Sektoren.
(3) Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) (2019): Global Market Supply Report 2018/2019.
Jenny Walther-Thoß ist Agrarwissenschaftlerin und war Expertin für nachhaltige Biomasse und Standards beim WWF Deutschland.
Die zwölf Diskussionsbeiträge der Umwelt- und Entwicklungsverbände für eine nachhaltige Bioökonomie gibt es hier als PDF zum Download.