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Armin Hein (Café fifty e.V.): Offen für alle!

Das Café fifty – Verein für soziale Arbeit und Kultur e. V. im bayerischen Obernburg am Main im Gespräch mit denkhausbremen. Die Initiative wurde vertreten durch Armin Hein, der seit der Neugründung 2014 dabei ist. Er engagiert sich in der Sozialberatung und ist als Rentner eingestiegen. (Das Beitragsbild zeigt von links: 1. Vereins-Vorsitzender Stefan Engels, Verwaltungs-Fachkraft Chris Katholi, Armin Hein)

denkhausbremen: Geben Sie uns doch einen Einblick in die Beweggründe und die Entstehungsgeschichte des Café fifty? 

Armin Hein: Das Café fifty wurde im Oktober 2006 vom Diakonischen Werk Untermain eröffnet, um vor allem arbeitssuchende Menschen zu unterstützen. Bei Kaffee und Kuchen zu sozialen Preisen wird bei Formularen, Stellen- und Wohnungssuche geholfen. Ein solches Sozialcafé war neu in der Region Obernburg und es gab viele Aufs und Abs. Dazu gehört auch, dass das Café einige finanzielle Untiefen durchlebt hat. So entstand auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmen letztendlich 2014 der eigene Trägerverein, in dessen Konzept von Anfang an auch das Repair Café ein wesentlicher Bestandteil war. Der Name Cafe fifty kam übrigens daher, dass alles 50 Cent gekostet hat.

Waren Betroffene von Arbeitslosigkeit oder Armut selbst an der Gründung oder Weiterentwicklung der Initiative beteiligt? 

Ich sage mal ja! Der Vorstand besteht zwar aus Berufstätigen oder Rentner*innen, aber der Verein funktioniert nur, wenn alle mitziehen und auch Entscheidungen treffen. Einige gute Ideen, wie das Anbieten von Kuchen und einfachen, aber leckeren Speisen im Cafébetrieb, sind so gemeinsam entstanden. Auch beim Reparieren ist die entscheidende Frage: Wer kann was? Da ist egal ob arbeitslos oder nicht.

Wie werden im Verein die Entscheidungen getroffen? 

Bei uns gibt es alle zwei bis drei Monate Vorstandstreffen. Insgesamt gehen wir hier kurze Wege und entscheiden auch mal auf Zuruf, per Anruf oder Mail. Das Repair Café hat nochmal ein eigenes Team mit etwa fünfzehn Leuten, die sich selbst organisieren, und es gibt einen zuständigen Verantwortlichen.

Sie haben als klassisches Beratungscafé für Arbeitslose angefangen. Mittlerweile ist das Café fifty als ein Verein für soziale Arbeit und Kultur breiter aufgestellt. Wie sieht Ihre Zielgruppe aus und wie hat sie sich über die Zeit verändert? 

Über unserer Eingangstür steht groß: “Offen für alle”. Das einzugrenzen fällt mir schwer. In den Anfängen kamen vor allem Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Mittlerweile gibt es Leute, die kommen jeden Tag, weil es ihnen schmeckt und sie die Atmosphäre mögen. Dazu kommt, dass es günstig ist. Ich vermute, wir haben immer einen Millionär dabei, der gibt’s nur nicht zu …

Klingt als würde bei Ihnen die kulturelle Durchmischung und das Zusammentreffen unterschiedlicher sozialer Schichten sehr gut zu funktionieren. Wie erklären sie sich diese gelebte Inklusion? 

Eine Erklärung ist, dass Menschen soziale Wesen, aber oft auch einsam sind; sie haben von uns gehört und kommen ab und zu oder auch regelmäßig vorbei. Es gibt hier übrigens auch Menschen, die mit einem Mercedes vorfahren und Probleme mit Formularen haben. Einige kommen, weil sie z.B. Schwierigkeiten mit dem Rentenantrag haben, den stellt ja auch jeder nur einmal im Leben.

Kommt es dabei auch zu politischen Diskussionen? 

Jeden Tag und da ist alles dabei. Man kann fast sagen, das Café fifty ist ein “Tagsüber- Stammtisch” für die Stadt und Umgebung.

Sind Sie auch politisch aktiv nach außen tätig? 

Nein, das tun wir nicht. Wir möchten keiner Behörde auf die Füße treten und wollen keine Reaktionen, mit denen wir nicht rechnen. Das Thema ist von anderen schon so stark besetzt, da müssen wir nicht auch noch dazu. Zeitungsartikel werden genug geschrieben. Wir arbeiten lieber mit individuell Betroffenen, die nicht weiterkommen und gucken uns den Fall an. Dabei legen wir Wert darauf, im konkreten Fall zu helfen, statt uns parteipolitisch einzumischen. Das scheint zu funktionieren: Wir haben im Jahre 2009 auf dem SPD-Parteitag in Dresden den Förderpreis der Dröscher-Stiftung in der Kategorie “Gerechte Welt” gewonnen, da war die CSU nicht böse. Von der CSU selbst haben wir allerdings noch keinen Preis bekommen – von anderen Parteien auch nicht.

Sind Sie mit anderen Vereinen vernetzt?

Ja, es gibt ein bundesweites Netzwerk der Repair Cafe – Initiativen, sogar europaweit. Da machen wir auch mit und darüber sind wir leicht zu finden und zu erreichen. Im kleinen Kreis haben wir ein regionales Netzwerk, in dem wir auch mal Veranstaltungen machen und uns austauschen.

Haben Sie denn den Eindruck, dass die Gesellschaft in Ihrer Region auseinander driftet?

Nicht so direkt. Wir sind ein Kleinstadtgebiet in ländlicher Gegend direkt an der bayerischen Grenze zu Hessen und Baden-Württemberg. Zwar gibt es inzwischen auch einige reiche Leute hier, aber die Gegensätze sind hier nicht so groß wie in städtischen Ballungsräumen – jedenfalls nicht so offensichtlich.

Viele Betroffene sagen, dass Hartz IV ihnen Angst macht. Nehmen Sie das auch wahr? 

Das gibt’s hier auch, aber ich denke nicht in dem Ausmaß wie in größeren Städten. Die besorgten Menschen stehen hier nicht Schlange. Im Einzelfall merke ich das aber schon. Menschen mit einem Hartz IV-Antrag in der Hand fragen, was ein Weiterbewilligungsantrag ist und inmitten der Ungewissheit steckt die Angst, über die Rolltreppe abwärts von der Mittelschicht nach unten durchgereicht zu werden.

Wenn Sie König von Deutschland wären, was würden Sie ändern? 

Ich würde den einzelnen Menschen generell mehr Geld geben. Die Mieten in unserer Gegend sind im Vergleich zu großstädtischen Verhältnissen vielleicht noch eher bezahlbar, aber das Bargeld, das man den Menschen in die Hand drückt, reicht hinten und vorne nicht. Der einzelne Mensch kann von 430 € kaum leben! Antrag hin oder her, meiner Meinung nach müssten Menschen, die gearbeitet haben, mindestens 600 bis 700 € monatlich bekommen – zur freien Verfügung neben Miete und Heizkosten. Schon die ständig steigenden Kosten für Haushaltsstrom fressen die bescheidenen Erhöhungen der Grundsicherung / Hartz IV wieder auf.

Ihr Verein hat schon einige Höhen und Tiefen erlebt. Was würden Sie neuen Initiativen mit auf den Weg geben? 

Möglichst nicht ausgrenzen und damit meine ich „Offen für alle“ wirklich zu beherzigen: Niemanden ausschließen, weder Beeinträchtigte noch Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn die Menschen zusammen arbeiten, kriegen sie das hin. Es ist sinnvoll Leute im Team zu haben, die sich auskennen, z.B. ehemalige Behördenmitarbeiter in der Sozialberatung. Wir hatten mal jemanden aus dem Rathaus, dem konnte man nichts vormachen. Egal wie viel Zeit jemand hat oder wo die fachlichen Kompetenzen liegen, das ergänzt sich im Team.

Wie sieht es bei Ihnen mit dem Geld aus?

Die Ausgaben dürfen nicht höher sein als die Einnahmen. Da spreche ich aus eigener Erfahrung: Ich bin einer von mindestens 7 (sieben) Leuten, die mitgeholfen haben, das Café zu retten. Wir kriegen Unterstützung durch die Arbeitsämter, indem sie geförderte Arbeitsgelegenheiten bei uns bereitstellen und finanzieren oder Lohnkostenzuschüsse gewähren. Gelegentlich erhalten wir auch Zuweisungen von Bußgeldern durch das Amtsgericht Obernburg. Darüber hinaus finanzieren wir uns durch Spenden: Die schwanken natürlich, vor Weihnachten ist es immer etwas mehr. Einmal im Jahr gibt es vom Landrat eine eher persönliche Spende. Weitere Einnahmen bekommen wir aus den Mitgliedsbeiträgen. Der Cafébetrieb selbst dürfte ein Nullsummenspiel sein. Dazu kommen regelmäßige Lebensmittelspenden, vor allem von unseren Bäckern. Insgesamt funktioniert das Konzept nur durch die Unterstützung der Ehrenamtlichen.

Wie bewerten Sie den Zustand und die Entwicklung der Demokratie in Deutschland 

Ich bin da ganz guter Hoffnung, wobei mir einiges nicht gefällt. Ich verstehe zum Beispiel nicht, was Reichskriegsflaggen bei den Covid19-Demonstrationen sollen: Wollen die den Kaiser wiederhaben? Die AfD hat zu viele Prozente, und wir haben hier auch einige Neonazis. Das macht einem schon Angst. Aber die meisten Gäste wissen und sagen auch, was sie in und an diesem Staat schätzen und was ganz schnell verloren gehen oder verschwinden könnte.