Ein Bericht von Josephine Koch
Ende November 2018 trafen sich VertreterInnen des zivilgesellschaftlichen Aktionsforums Bioökonomie mit der Fachöffentlichkeit in Berlin, um sich über Fragen der Bioökonomie kritisch-konstruktiv auszutauschen.
Höhepunkt des NGO-internen Teils in der ersten Hälfte des Workshops war der Beschluss einer gemeinsamen Bioökonomie-Grundsatzerklärung. Namhafte Umwelt- und Entwicklungsorganisationen kritisieren an diesem Wirtschaftskonzept die Verbindung aus einem neoliberalen Weiter-So und grünem Wachstumszwang vor allem zugunsten von Unternehmen, statt mit einer Kehrtwende echte ökologisch-soziale Lösungen voranzutreiben.
Die zweite Tageshälfte stand sodann auch dem interessierten Fachpublikum aus Wissenschaft, staatlichen Institutionen und Ministerien sowie JournalistInnen offen. Elementare Fragen um die Chancen und Gefahren einer Bioökonomie wurden hier tiefergehend diskutiert. So machte Lars Berger vom Bundesamt für Naturschutz in seinem Inputvortrag die Widersprüche greifbar, die mit der Bioökonomie einhergehen. Die zunehmende Produktion von Bioplastik beispielsweise bringe kaum Fortschritt, wenn die bestehende Wegwerfmentalität gleichzeitig unverändert bliebe. Hochpräzise betriebene Landwirtschaft durch Digitalisierung und neue Technologien könne zwar die Effizienz der landwirtschaftlichen Produktion steigern, ändere aber nichts an den Problemen, die mit einer industriellen Landwirtschaft zusammenhängen. Auch die technologiegläubige Diskussion in Verbindung mit neuen Gentechniken, wie Genome Editing, verschleiere die drohende Verdrängung des Vorsorgeprinzips und die Technikfolgenabschätzung in diesem Bereich.
Anne Tittor und Rosa Lehmann von der Uni Jena gingen in ihrem Vortrag auf die entwicklungspolitischen und sozialen Dimensionen ein, die mit dem Bioökonomie-Konzept verknüpft sind: viele Länder im globalen Süden sehen in der Bioökonomie vor allem einen Fortschritts- und Modernisierungsschub. Statt als bloße Rohstofflieferanten für den globalen Norden zu fungieren, wollen sie eine stärkere Wertschöpfung im eigenen Land. Zu befürchten sei allerdings durch die erhöhte Biomassenachfrage genau das Gegenteil. Außerdem würden Verteilungsfragen in Zusammenhang mit Bioökonomie in diesen Ländern – ebenso wie im globalen Norden – kaum diskutiert und gleichzeitig das ohnehin schon mächtige Agribusiness gestärkt. So arbeiten z. B. in Argentinien die großen Soja-Produzenten mit Präzisionslandwirtschaft, während die bestehenden Probleme mit Pestiziden und Alternativkonzepte wie Agrarökologie nur am Rande thematisiert werden. Aufgrund unterschwelliger Ziel- und Interessenkonflikte sei es vor allem eine globale Elite aus AkademikerInnen, Wirtschafts- und RegierungsvertreterInnen, die darüber entscheiden, wie Bioökonomie umgesetzt wird, nicht die Zivilgesellschaft.
Fazit: Natürlich muss die Nutzung fossiler Rohstoffe auf nachhaltige Weise ersetzt werden. Doch dies kann nicht allein durch die vermehrte Herstellung von Biomasse geschehen, da dies den Druck auf landwirtschaftliche Flächen erhöht und negative Effekte auf die Biodiversität erwarten lässt. Effizienzsteigerungen, die Regionalisierung von Wirtschaftskreisläufen oder neue Wertschöpfung im ländlichen Raum sind Chancen, die die Bioökonomie bietet. Sie können aber nur greifen, wenn Bioökonomie einem Gemeinwohlansatz folgt und nicht alles unter dem Vorbehalt des Wirtschaftswachstums stellt. Hierfür bedarf es auch gesetzliche Regulationen. Beispiele sind verpflichtende Nachhaltigkeitskriterien für Unternehmen, eine CO2-Steuer, Auflagen beim Bodenerwerb, starke Anreize zur Reparierbarkeit von Produkten oder die Haftbarmachung für Umwelt- und Gesundheitsschäden. Dabei ist sowohl für die nationale als auch für die globale Dimension des Bioökonomie-Ansatzes die Auseinandersetzung mit asymmetrischen Machtverhältnissen durch eine aktive, sich einmischende Zivilgesellschaft unabdingbar.