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René Röspel, SPD: Gerechtigkeit und Fortschritt miteinander verbinden

René Röspel im Gespräch mit denkhausbremen über Bioökonomie und über die Rolle der SPD beim ökologischen Umbau. René Röspel ist für die SPD im Deutschen Bundestag und ist Ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. 

denkhausbremen: Herr Röspel, wie sind Sie in ihrer parlamentarischen Arbeit mit dem Thema Bioökonomie befasst?

René Röspel: Ich war in unserer Fraktion Berichterstatter für die Arbeitsgruppe „Bildung und Forschung“ bis diese Aufgabe von meinem Kollegen Rainer Spiering übernommen wurde. So bin ich mit dem Thema in Berührung gekommen, das aber eher nur einen Promillebereich von meiner Arbeitszeit ausmacht.

Dann beobachten Sie die Debatte mit einem ungetrübten Blick von der Seitenlinie. Wie beurteilen Sie die Bioökonomie aus dieser Perspektive?

Ich bin Biologe und finde es grundsätzlich gut, wenn die Menschheit natürliche Systeme versteht und verantwortbar nutzt. Daraus ergeben sich Chancen, aber vielleicht auch der Irrglaube, dass Bioökonomie schon alle Probleme lösen werde. Deshalb müssen wir die Bioökonomie verantwortungsvoll gestalten, damit sich letztendlich die Chancen durchsetzen können.

Ist das Versprechen der Bioökonomie realistisch, unseren Lebensstandard aus dem fossilen Zeitalter jetzt mit biogenen Rohstoffen fortzusetzen? Gibt es aus Ihrer Sicht denn genügend Biomasse und fruchtbaren Boden, um ausreichend Konsumgüter wie Autoreifen oder Plastikflaschen zu produzieren?

Genau da wäre die Einschränkung: Fossile Rohstoffe einfach durch Biomasse zu ersetzen ist nicht der richtige Weg. Die Bioökonomie hat vor allem dann eine Chance, wenn diese in erster Linie aus Reststoffen gespeist wird und schon gar nicht auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion stattfindet. Darüber hinaus müssen wir vernünftige Kreislaufsysteme installieren, damit wir unsere Rohstoffe effizient und sparsam einsetzen. Die Vorsilbe “Bio” gibt zunächst mal keine Garantie, ob ein Produkt eine gute Umwelt- und Klimabilanz aufweist.

Sie haben im Bundestag die Zusammensetzung des Bioökonomie-Rats kritisiert. Warum?

Dieses Beratungsgremium der Bundesregierung war bislang sehr wirtschaftsnah oder wurde von wirtschaftsnaher Forschung dominiert. Themen wie z.B. Ökolandbau kamen dort fast nicht vor. Dabei wäre nachhaltiges Wirtschaften Voraussetzung für das Gelingen der Bioökonomie. Damit bin ich auch in meinem Wahlkreis konfrontiert, der ins Sauerland hineinreicht und deshalb eine Reihe von landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben enthält.

Und dann kommt es darauf an, den Dialog mit der Bevölkerung für ökologische Themen zu suchen. Dafür können wir auch das jetzige Wissenschaftsjahr “Bioökonomie” nutzen. Das ist nicht immer einfach und aus meiner Perspektive als Sozialdemokrat, der einen Wahlkreis im Ruhrgebiet mit ähnlichen Strukturproblemen wie in Bremen vertritt, weiß ich, dass viele Menschen finanziell so gerade über die Runden kommen und deshalb ganz andere Probleme haben.

Hat die SPD denn überhaupt noch die Kraft um solche Transformationsprozesse auch gesellschaftlich durchzusetzen? Die Grünen stehen für eine ökologischen Aufbruch, die SPD eher nicht…

Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Transformation nur mit der SPD gelingen kann, auch wenn die Umfragen gerade nicht gut für uns aussehen. Die SPD ist auch in sogenannten schwierigen Stadtteilen zu Hause und wirkt in alle gesellschaftlichen Milieus hinein. Uns kommt deshalb eine Mittlerrolle zu, die die Grünen nicht ausfüllen können.

Zum Beispiel zog sich der Konflikt zu den Autokauf-Prämien auch mitten durch die SPD. In meinem Wahlkreis gibt es Autozulieferer, die eine solche Prämie auch für Verbrenner begrüßt hätten. Auf der anderen Seite wäre eine solche Prämie ungerecht und eine ökologische Fehlsteuerung gewesen. Der Auftrag der SPD war immer schon Gerechtigkeit und Fortschritt miteinander zu verbinden.

Und wie lässt sich ein Wandel gerecht gestalten?

Bei mir in der Straße sind zum Beispiel ein Drittel der Autos uralt, weil sich die Leute keine neuen leisten können. Es geht also nicht nur darum, an neuen, innovativen E-Autos zu forschen, sondern auch die Kernfrage zu stellen: Warum brauchen die Leute überhaupt ein Auto und wie ließe sich Mobilität anders organisieren? Übertragen auf die Bioökonomie hieße das: An welchen Stellen werden unsere Ressourcen vernünftig und effizient eingesetzt, so dass unser Wohlstand gesichert wird und sich die Situation für die Menschen verbessert?

Aber der notwendige Transformationsprozess ist schon tiefgreifender. Bei der Bioökonomie geht es nicht einfach nur um die Nutzung von erneuerbaren Energien, neuen Technologien und Biomaterial, sondern diese müssen auch in ein Kreislaufsystem eingebettet sein. Grundsätzlich sollte immer die Ökobilanz des gesamten Produktlebenszyklus berücksichtigt werden. Da ist es übrigens meistens sinnvoll, ein altes Auto ganz lange zu fahren und kein neues zu kaufen.

Gemäß dem letzten Bioökonomie-Rat sollte mithilfe von Gentechnik die Produktion gesteigert werden. Was ist denn Ihre Position dazu?

Ich halte Gentechnik nach wie vor für falsch. Seit Jahrzehnten wollen die großen Pharma- und Landwirtschaftskonzerne uns weismachen, dass Gentechnik der Schlüssel für die zukünftige Welternährung ist. Hier muss man ganz klar sagen: Das ist aber ein Verteilungs- und kein Technologieproblem. Die SPD hat daher eine klare ablehnende Haltung gegenüber der Agro-Gentechnik. Weil sie in die falsche Richtung führt und die Kernprobleme nicht löst, sondern nur verschiebt.

Bei der Diskussion um die neuen Technologien wie CRISPR/Cas oder Gene Drive wird fälschlicherweise sogar behauptet, dies sei keine Gentechnik, weil sich dermaßen veränderte Pflanzen gentechnisch nicht von natürlich entstandenen Pflanzen unterscheiden würden. Interessanterweise gibt es auch unter den Grünen einige Kollegen, wie zum Beispiel Robert Habeck, die genau diese neuen Technologien befürworten. Wir als SPD sind neben den Linken im Moment die einzige Fraktion im Bundestag, die noch dem Druck der Gen-Lobby standhält. Der Europäische Gerichtshof hat übrigens die genchirurgischen Verfahren CRISPR/Cas und Gene Drive klar als Gentechnik klassifiziert. Das Urteil hat mich überrascht, aber auch erfreut.

Sie haben vorhin gesagt, dass bei der Diskussionen um die Zukunft auch der Teil der Bevölkerung eingebunden sein sollte, der materiell nicht so gut abgesichert ist. Haben Sie als SPD denn überhaupt noch Zugriff auf diese Milieus?

Teils, teils. Wir haben in Hagen mit circa 190.000 Einwohnern und 12 % Arbeitslosenquote immer noch 18 Ortsvereine, die auf die Straße gehen (und sich da manchmal auch beschimpfen lassen müssen). Ich erlebe, dass es zum Beispiel bei Hausbesuchen immer schwieriger wird, an Menschen heranzukommen. Auch die sozialen Medien haben für uns nur eine begrenzte Reichweite. Vor allem in den „bildungsfernen“ Schichten haben viele mit Demokratie nichts mehr am Hut. Das macht sie anfällig für die AfD. Aber nur wir sind die, die offen auf die Menschen zugehen und an Infoständen zu den unterschiedlichsten Themen wie Rente, Arbeitslosigkeit oder Umwelt diskutieren. Die Grünen sind häufig monothematisch an ihrem Stand und fühlen sich wohl, weil sie mit ihrem Klientel über Klima reden. Und das ist genau der Unterschied.

Wie beurteilen Sie den Austausch zwischen der SPD und den Umweltverbänden?

Die Rolle der Umweltverbände ist es ja, Positionen und deutliche Kritik zu äußern oder Anforderungen zu stellen. Natürlich wünsche ich mir manchmal, dass es auch mehr Unterstützung und Lob für das Erreichte gäbe. Ansonsten kann ich aber nicht klagen in der Zusammenarbeit mit den Verbänden. Der Kontakt zu den Umweltverbänden ist für mich übrigens auch ein Beispiel für positiven Lobbyismus: Es ist gut, dass ich z.B. im Bereich der Gentechnik nicht nur von Monsanto und Bayer Informationen bekomme, sondern auch kritische Positionen von den Verbänden einholen kann.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Gepräch führten Peter Gerhardt und Jana Otten.
Copyright Titelfoto: Susie Knoll