Von Paula Leutner
Seit Jahren verschmutzt Plastik unsere Weltmeere. Von Fischernetzen über Plastikflaschen bis hin zu Strohhalmen – Kunststoff in all seinen Formen und Variationen treibt in Gewässern zwischen Bremerhaven, Hawaii und Hongkong. Sprich: Überall.
Doch das Image-Problem von Kunststoff beruht nicht nur auf seinem zerstörerischen Lebensende, sondern auch auf seiner Herkunft. Herkömmliches Plastik wird aus Erdöl hergestellt und ist somit nicht gerade klimafreundlich. Nun soll es neue Lösungen geben, die die Industrie bereits freudestrahlend in die Arme schließt: Bio-Kunststoffe, die mit einem grünen Versprechen daherkommen. Aber was ist wirklich dran an der Plaste – nachhaltige Alternative oder nur eine weitere Bio-Lüge?
Der Begriff selbst sorgt bereits für einige Verwirrung. Denn bio ist nicht gleich bio und kann sowohl bedeuten, dass der Kunststoff aus biogenen Ressourcen gewonnen wird, als auch, dass das Endprodukt selbst biologisch abbaubar ist.
Zahlreiche Konzerne werben bereits damit, solche Biokunststoffe anzubieten. Coca Cola entwirft die PlantBottle, Pepsi gemeinsam mit Nestlé und Danone die NaturAll Bottle, LEGO will in wenigen Jahren sein gesamtes Sortiment auf Bioplastik umstellen, und auch bei IKEA können die Kund*innen zunehmend auf diese “nachhaltige” Variante ausweichen.
“Biologisch abbaubare” Kunststoffe werden damit beworben, sich rückstandslos aufzulösen. Sie können sowohl aus pflanzlichen Rohstoffen als auch aus Erdöl hergestellt werden. Weitgehend unbekannt ist allerdings, dass sich das aufwendig produzierte Material jenseits von Laborbedingungen kaum zersetzen kann. In der natürlichen Umwelt oder im Hauskompost kompostiert sich Bioplastik kaum und selbst im Rahmen industrieller Kompostierung führen Reste von nicht gänzlich zersetztem Plastik zu Problemen. Verpackungen aus biologisch abbaubarem Plastik gehören also, wie jeder andere Kunststoff, in die gelbe Tonne. Der Irrglaube, Biokunststoffe würden sich auflösen, wiegt die Verbraucher*innen in falscher Sicherheit und könnte im schlimmsten Fall dazu führen, dass sich achtlos deponiertes Plastik in unserer Umwelt sogar noch vermehrt. Letztendlich werden so Anreize geschaffen, an der aktuellen Wegwerfgesellschaft festzuhalten.
Selbst wenn sich Bioplastik – wie von der Industrie versprochen – problemlos kompostieren ließe, geschähe dies auf Kosten eines immensen Energie- und Ressourceneinsatzes. Und das, um uns letztendlich nur wenige Minuten von Nutzen zu sein. Denn diese Kunststoffe haben in der Regel nur eine kurze Lebensdauer und sind dank ihrer chemischen Zusammensetzung brüchig und nicht recyclebar. Mehrweg ist hier die zukunftsfähige Alternative.
Die zweite Kategorie von Bioplastik sind biobasierte Kunststoffe. Biobasiert bedeutet, dass sie zumindest teilweise aus biogenen Ressourcen gewonnen werden. Diese stammen aus verschiedenen Pflanzen wie Zuckerrüben, Zuckerrohr oder Mais, aus Holz oder sogar aus Abfall und Reststoffen. Meistens ist dieses Plastik in seiner Endform chemisch identisch mit seinen Erdöl-basierten Verwandten und unterscheidet sich nur durch das Ausgangsmaterial. Dadurch können viele dieser Biokunststoffe nach Gebrauch recycelt werden.
Auf den ersten Blick erscheint dies als ein Schritt in die richtige Richtung – weg vom fossilen Zeitalter, hin zu erneuerbaren Alternativen. Doch auch hier gibt es berechtigte Zweifel, ob Bioplastik die richtige Entwicklung ist.
In vielen Fällen stammen die Rohstoffe für diese Kunststoffe nämlich aus dem globalen Süden, von einer industriellen Intensivlandwirtschaft mit fragwürdiger Nachhaltigkeit. Diese benötigt viel Landfläche, Wasser und Agrochemikalien. Abgesehen davon, dass dieser Anbau von Nutzpflanzen für Bioplastik in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion stehen könnte, sind Bodenerosion, Grundwasserverschmutzung durch Pestizide und der Verlust von Biodiversität nur einige der verheerenden ökologischen Folgen. Die Zeche dafür zahlen letztendlich die Menschen vor Ort.
Vor allem in Brasilien, wo mit Braskem einer der größten Bioplastik-Hersteller der Welt zu finden ist, erstrecken sich bereits die industriellen Monokulturen der Zuckerrohrplantagen.
Die meisten Konzerne, die zur Zeit mit Bioplastik arbeiten, beziehen ihre Produkte von Braskem. So auch Coca Cola, Tetra Pak und Lego. Sie verweisen in der Regel auf Nachhaltigkeits-Zertifikate, um die Herkunft und Herstellung ihrer Produkte zu legitimieren. Doch wie auch in der Holzwirtschaft oder Fischerei ist auf diese Siegel kein Verlass.
Trotz ausgiebiger Werbung für das “grüne” Plastik scheinen die Konzerne selbst Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Umwelt-Versprechen zu haben und reagierten ungewöhnlich zurückhaltend auf direkte Fragen zu dem Thema. In einer Marktumfrage hat denkhausbremen versucht, sich ein Bild vom Stand der Bioplastiknutzung auf dem deutschen Markt zu machen. Der Rücklauf war jedoch erstaunlich gering. Selbst Coca Cola und Pepsi reagierten äußerst schmallippig, obwohl man auf deren firmeneigenen Websites sehr wohl auf Werbelyrik über grünes Bioplastik stößt. Edeka und Otto äußerten hingegen Bedenken im Hinblick auf biologische Kunststoffe und auch Konsum- und Handelsriesen wie Unilever, Mars oder Rewe halten bislang Abstand von Bioplastik.
Es ist also kein Geheimnis, dass der grüne Kunststoff gar nicht so grün ist. Am Ende des Tages kommt es darauf an, Ressourcen zu sparen und unsere überholten Wirtschafts- und Konsummuster zu überdenken. Ein System, das auf ständiges Wachstum und Verschwendung ausgelegt ist, kann kaum nachhaltig sein: Kreislaufwirtschaft und Kaskadennutzung, Reduzierung und Recycling sind die Richtung, die auch die Kunststoffindustrie einschlagen sollte.