Alle Artikel in: Zukunftslabore von unten

Brigitte Faber (Weibernetz): Belange von Frauen mit Behinderung durchsetzen

denkhausbremen im Gespräch mit Brigitte Faber von Weibernetz e.V. – die bundesweite Interessenvertretung für behinderte Frauen. Weibernetz ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen sowie den Landesnetzwerken und Koordinierungsstellen behinderter Frauen. Wie engagierst Du Dich im Weibernetz? Ich war 1998 ehrenamtlich im Vorstand aktiv und eine der Gründungsfrauen des Weibernetz. Mittlerweile bin ich hauptberufliche Mitarbeiterin und die Arbeit nimmt einen großen Raum in meinem Leben ein. Wie kam es denn damals zu der Vereinsgründung? Landesweite Netzwerke behinderter Frauen gab es schon vor unserer Gründung. Doch am Rande der europäischen Tagung behinderter Frauen 1996, organisiert vom Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos), wurde der Wunsch nach einer besseren Interessenvertretung auf bundespolitischer Ebene laut. Ein Jahr später haben wir in einer Gruppe von Frauen mit Behinderung unsere Möglichkeiten diskutiert und beschlossen einen Verein zu gründen – denn nur so konnten wir Gelder bei Ministerien beantragen. Wie seid Ihr organisiert? Unser gleichberechtigter Vorstand besteht aus fünf Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen. Bei uns dürfen nur Frauen mit Behinderung inhaltlich arbeiten und Entscheidungen treffen – ein Grundsatz der …

Peter Hetzler (Andere Wege): Hartz-4-Bezieher*innen sind völlig entrechtet

Peter Hetzler von Andere Wege – Erwerbsloseninitiative Bergstraße im Gespräch mit denkhausbremen. Er ist freier Journalist, Hartz IV-Aufstocker und Autor von „Hartz 5 – Ein Hartz IV-Roman“. denkhausbremen: Was unterscheidet Euch von den meisten Arbeitsloseninitiativen? Peter Hetzler: Üblicherweise machen Erwerbslosengruppen Beratungen und haben Wohlfahrtsverbände oder kirchliche Organisationen als Träger. Die legen sich vor Ort nicht gerne mit den Behörden an, weil sie auf staatliche Gelder angewiesen sind. Wir sind hingegen eine unabhängige Initiative und haben keine Hemmungen, uns bei der etablierten Politik unbeliebt zu machen. An den Gesetzen können wir wenig ändern, aber wir haben hier durch das “Optionsmodell” eine gute Möglichkeit für politische Einflussnahme. Kannst du das Optionsmodell kurz erläutern? Hartz 4-Bezieher werden dabei nicht von der Bundesagentur für Arbeit betreut, sondern von einem kommunalen Eigenbetrieb. Begründet wird das damit, dass der Arbeitskräftebedarf vor Ort besser eingeschätzt werden könne. Das Modell gibt es in Hessen häufig. Der zuständige Betrieb heißt bei uns “Neue Wege”, weshalb wir uns “Andere Wege” genannt haben. Bietet das Optionsmodell denn Vorteile? Wenn man von der Bundesagentur für Arbeit verwaltet …

Armin Hein (Café fifty e.V.): Offen für alle!

Das Café fifty – Verein für soziale Arbeit und Kultur e. V. im bayerischen Obernburg am Main im Gespräch mit denkhausbremen. Die Initiative wurde vertreten durch Armin Hein, der seit der Neugründung 2014 dabei ist. Er engagiert sich in der Sozialberatung und ist als Rentner eingestiegen. (Das Beitragsbild zeigt von links: 1. Vereins-Vorsitzender Stefan Engels, Verwaltungs-Fachkraft Chris Katholi, Armin Hein) denkhausbremen: Geben Sie uns doch einen Einblick in die Beweggründe und die Entstehungsgeschichte des Café fifty?  Armin Hein: Das Café fifty wurde im Oktober 2006 vom Diakonischen Werk Untermain eröffnet, um vor allem arbeitssuchende Menschen zu unterstützen. Bei Kaffee und Kuchen zu sozialen Preisen wird bei Formularen, Stellen- und Wohnungssuche geholfen. Ein solches Sozialcafé war neu in der Region Obernburg und es gab viele Aufs und Abs. Dazu gehört auch, dass das Café einige finanzielle Untiefen durchlebt hat. So entstand auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmen letztendlich 2014 der eigene Trägerverein, in dessen Konzept von Anfang an auch das Repair Café ein wesentlicher Bestandteil war. Der Name Cafe fifty kam übrigens daher, dass alles 50 …

Linda Rennings (Heimatlos in Köln): Wir machen obdachlose Frauen zum Thema!

Linda Rennings von Heimatlos in Köln e.V. im Gespräch mit denkhausbremen. Linda Rennings ist die Gründerin des Vereins, der sich für obdachlose Frauen und Mädchen engagiert. Wie wurde Heimatlos in Köln ins Leben gerufen? Linda Rennings: Ich habe diesen Verein aus eigener Erfahrung gegründet – für obdachlose Frauen und Mädchen mit Hund. Es gibt viele obdachlose Frauen auf den Straßen, die leider kein Thema in der Öffentlichkeit sind. Das wollte ich ändern. Nach meiner Ausbildung zur Genesungsbegleiterin war es mir ein Anliegen mich besonders für Frauen einzusetzen. Ich bewege mich seit 2006 hier in Köln in der (Obdachlosen)-Szene, was mir einen ganz guten Durchblick verschafft. Aber natürlich lerne ich auch stetig dazu und bilde mich weiter. Darüber hinaus bin ich übrigens bei der ältesten Straßenzeitung in Köln, dem „Draußenseiter“, tätig. Dort schreibe  ich auch aus der Perspektive meines Hundes Clayd über unseren gemeinsamen Alltag. Mittlerweile hat Clayd einen großen Fan-Club. Schreiben ist für mich eine Form von Therapie. So bin ich als die Kölsche Linda zu einer Institution geworden, was letztendlich auch ein günstiger Ausgangspunkt …

Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen: “Wir sind keine Stellvertreter, sondern vertreten unsere Interessen selbst.”

Gudrun Steenken und Joachim Barloschky vom Bremer Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen im Gespräch mit denkhausbremen. Gudrun Steenken ist psychologische Psychotherapeutin und war in zahlreichen Leitungsfunktionen in der bremischen evangelischen Kirche tätig. Joachim Barloschky war langjährig in der APO- und Friedensbewegung engagiert und als Quartiersmanager der Großsiedlung Tenever aktiv. Beide gehören zu den Gründungsmitgliedern des Aktionsbündnisses.  Wie wurde das Aktionsbündnis ins Leben gerufen? Gudrun Steenken: Ich habe viele Jahre bei einer evangelischen Beratungsstelle gearbeitet und blickte von meinem Arbeitszimmer auf die Domsheide-Kreuzung, einem zentralen Verkehrsknotenpunkt in Bremen. Aus dieser Perspektive lernte ich viele Menschen, die dort leben und Flaschen sammeln, vom Sehen kennen. Als ich in Rente ging, öffnete die Liebfrauengemeinde ab Winter 2010 die Kirche für arme und obdachlose Menschen. Das war für eine etablierte Innenstadt-Gemeinde nicht selbstverständlich. Wir Bürgerlichen haben nicht nur Kaffee und Brot verteilt, sondern kamen mit den Menschen ins Gespräch. So lernte ich meine Fensterbekanntschaften richtig kennen. Das war für mich sehr sinnstiftend. Diese „Winterkirche“ war eingebettet in ein gemeinsames Projekt der Bremischen Evangelischen Kirche „Armut und Reichtum in der Stadt“. …

Frank Robra-Marburg (EXPA): Für eine Psychiatrie auf Augenhöhe!

Frank Robra-Marburg von der Organisation EXPA im Gespräch mit denkhausbremen. EXPA ist die Abkürzung für Experten Partnerschaft.  Titelfoto: Frank Robra-Marburg bei einer der EXPA-Aktionen „Freitagsesel“ für Aufklärung über psychische Erkrankungen gegen Stigmatisierung und für aufsuchende Genesungsbegleitung. denkhausbremen: Wie ist die EXPA entstanden? Frank Robra-Marburg: Die EXPA wurde 2002 aus einem Seminar heraus gegründet. Lange waren wir eine Arbeitsgruppe, erst 2013 wurden wir zum Verein. Wir nennen uns auch EXpert*innen PArtnerschaft im Trialog. Hier kommen Betroffene, Angehörige und Mitarbeiter des psychiatrischen Hilfesystems zum gleichberechtigten Austausch zusammen, um einander zuzuhören und voneinander zu lernen. Wir setzen uns für eine ganzheitliche Sichtweise psychischer Erkrankungen ein. Aus unserer Sicht sind diese eher Ausdruck von Ohnmacht und Hilflosigkeit in schwierigen kritischen Lebenssituationen. Von Anfang an ging es darum Erfahrungen einzubringen von Menschen, die schwere psychische Krisen durchlebt und meist psychiatrische Dienste genutzt haben. Heute ist die EXPA ein unabhängiger Kooperationspartner für Institutionen des psychiatrischen Versorgungssystems. Wir bilden ein Netzwerk mit Mitgliedern und Aktiven in Bremen und Bremerhaven. Man könnte uns als Interessenvertretung beschreiben, denn Menschen mit psychischen Erkrankungen, haben häufig …

Portrait Karen Ehlers

Karen Ehlers (Sisters e.V.): Sexkauf verbieten!

Karen Ehlers von Sisters e.V. im Gespräch mit denkhausbremen. Bei Sisters e.V. ist Sie verantwortlich für die Finanzen. Der Verein hat sich im Mai 2015 gegründet und konnte im letzten Jahr 49 Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution finanziell unterstützen. denkhausbremen: Wie können wir uns Eure Arbeit vorstellen? Karen Ehlers: Wir sind eine kleine schlagfertige Gruppe. Unser Vorstand besteht aus drei Personen: Sabine Constabel, Fachfrau im Gebiet Prostitution und Ausstieg, die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Braymaier und ich bin die Dritte im Bunde. Wir haben bundesweit 360 Mitglieder und in Stuttgart, Tübingen, Köln und Berlin gibt es jeweils Ortsgruppen, die in erster Linie Öffentlichkeitsarbeit mit Infoständen oder Diskussionsrunden machen. Für diese haben wir zur Orientierung einen Leitplan geschrieben, an welchen sie aber nicht gebunden sind. Wir arbeiten zudem ehrenamtlich und sind auf Spenden angewiesen. In Berlin und in Köln haben wir schon einige Aussteigerinnen betreut. Dabei profitieren wir auch von ehemaligen Aussteigerinnen, die ihre Erfahrungen gerne weitergeben. Besonders Rumäninnen und Bulgarinnen helfen uns bei der Überwindung der Sprachbarriere. Die meisten Frauen, melden sich aber bei uns in …

Offene Arbeit: Raum für Engagement und Gemeinschaft

Wolfgang Musigmann und Matthias Weiß von der “Offenen Arbeit” in Erfurt im Gespräch mit denkhausbremen. (Titelfoto von rechts: Matthias Weiß, Wolfgang Musigmann, Peter Gerhardt)   denkhausbremen: Wie müssen wir uns die Offene Arbeit zu DDR-Zeiten vorstellen? Offene Arbeit: Die Offene Arbeit wurde 1979 ins Leben gerufen und das hat Menschen angelockt – Intellektuelle aber auch Arbeiter. Besonders war, dass hierher auch Ausgestoßene aus der DDR-Gesellschaft kommen konnten. Das waren z.B. Nichtangepasste, Kriminelle und Menschen die viel Alkohol getrunken haben; andere Drogen gab es in der DDR fast nicht. Außerdem wurden hier vor 1989 auch Zeitschriften gedruckt und herausgeben die nicht genehmigt waren. Das war gefährlich. Und wie wurden diese Zeitschriften verbreitet? Was war der Vertriebsweg? Mit der Post, persönlich und wenn man nach Berlin gefahren ist, dann hatte man welche dabei. Auf solchen Wegen eben. Gedruckt haben wir mit Ormig-Maschinen (Matrizendrucker) und mit Durchschlagpapier (Durchschreibepapier). Wir haben dann zum Beispiel 6 Durchschläge in die Schreibmaschine gespannt. Es gab hier übrigens auch eine Umweltbibliothek mit Büchern wie „Global 2000“, die es eigentlich in der DDR nicht …

BiKo: Gemeinsam erschließen wie die Welt besser sein könnte…

Das BildungsKollektiv (BiKo) aus Erfurt im Gespräch mit denkhausbremen. Das BiKo wurde vertreten von Michel, der seit den Anfängen des BiKo dabei ist, und Walter, der vor zehn Jahren dazu gestoßen ist. denkhausbremen: Gebt uns doch mal einen Einblick wie das BiKo entstanden ist? Michel: Vor mehr als 20 Jahren war ich in einer globalisierungskritischen Hochschulgruppe aktiv. Irgendwann haben wir Leute von einem Wohnprojekt auf einem kleinen Dorf in der Nähe von Erfurt kennengelernt. Die haben uns angeboten, Seminare und Veranstaltungen bei ihnen durchzuführen. Das haben wir dann Ende der 1990er-Jahre gemacht und es war eine schöne Kooperation zwischen einer eher jungen, radikalen Szene aus der Stadt und den Leuten aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung auf dem Land. Sowohl das Wohnprojekt als auch die Politgruppe haben sich Anfang der 2000er-Jahre gespalten und aus den Resten hat sich das Bildungskollektiv zusammengeschlossen. Thematisch bearbeiten wir nicht nur große, sondern gerne auch «Gänseblümchen-Themen» Wir gucken nicht in erster Linie wo es gerade Gelder gibt, sondern was uns interessiert und wo es in unserem Umfeld Interesse oder Bedürfnisse gibt. Durch Eure …

Ottmar Miles-Paul (ISL): Wenn es eine Selbstvertretung behinderter Menschen nicht gab, mussten wir das halt selbst gründen.

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) ist die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen mit Sitz in Kassel. denkhausbremen hat mit dem langjährigen Aktiven und ISL-Projektkoordinator Ottmar Miles-Paul im Februar 2020 vor Ort dieses Gespräch geführt. denkhausbremen: Wie sind Sie zu Ihrem Engagement bei der ISL gekommen? Ottmar Miles-Paul: Das ist schon ungefähr 33 Jahre her. Ich kam aus meiner Arbeiterfamilie in einem schwäbischen Dorf nach Kassel zum Studium. Wir befinden uns Behinderten-politisch im Umfeld Mitte der 80er Jahre: Das „Gepäckwagen-Zeitalter“ bei der Deutschen Bahn, in dem Rollstuhlfahrer*innen im Gepäckabteil des Zuges befördert wurden, hatten wir schon überwunden. In Kassel gab es damals eine (!) Blindenampel, sonst gab es für Sehbehinderte wie mich fast nichts. Eine Selbstvertretung behinderter Menschen gab es schon gar nicht. Es gab nur einen „Betüddel-Verein“ Behinderte und ihre Freunde; das war im Grunde der vom Gesundheitsamt betreute Kaffeetrink-Verein. Ich habe als Seh- und Hörbehinderter schnell gemerkt, dass man aneckt mit seiner Behinderung und die Alltagsgestaltung doch schwer sein kann. Ich habe mich daher mit einigen Mitstudenten mit …