Soziale Gerechtigkeit, Unkategorisiert, Zukunftslabore allgemein, Zukunftslabore von unten, Zukunftslabore zusätzlicher Content

„Menschen mit Armutserfahrung als Experten der eigenen Situation anerkennen“

Zur Abschlussveranstaltung des Projekts „Zukunftslabore von unten“ unter dem Motto „Wie einkommensschwache Menschen sich selbst organisieren, selbst vertreten und so an der Gesellschaft teilhaben…“ konnte das denkhausbremen-Projektteam zahlreiche Vertreter*innen der am Projekt beteiligten Initiativen am Mittwoch, 08. Mai 2019, in Bremen begrüßen. Die Aktiven der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen, des Armutsnetzwerks sowie von ALSO Oldenburg diskutierten gemeinsam mit interessierten Bürger*innen und Bremer Politiker*innen den Themenbereich Partizipation und Engagement von Menschen mit geringem Einkommen.

Nach einem Grußwort durch die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer, gab Projektleiter Michael Gerhardt in einem Impulsreferat einen Überblick über die Projektergebnisse und stellte die im Projektverlauf besuchten Initiativen vor. „Wichtig ist als erster Schritt eine veränderte Selbstwahrnehmung und öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit Armutserfahrung – als kompetente Akteure, und nicht als Betroffene oder Opfer“, betonte Michael Gerhardt.

Dazu müsse ein niederschwelliger Zugang zu politischer Bildung für Menschen mit wenig Einkommen gewährleistet werden, damit eine Selbstermächtigung erfolgen könne. Darüber hinaus sei es notwendig, dass eine Initiative eine stabile Gruppe von Aktiven habe, die sich langfristig mit einem Kernthema beschäftige. Ferner sei dann der Aufbau von tragenden Netzwerken und Bündnissen wichtig für die Durchsetzungskraft einer Gruppe. „Wenn eine Initiative dann noch einen eigenen Ort als ihr festes Zentrum hat, kommt viel für den langfristigen Erfolg einer Selbstvertretung zusammen“, so Gerhardt.

Viele dieser Punkte fanden sich in den anschließenden Impulsreferaten der Vertreter*innen der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen und des Armutsnetzwerks wieder und zogen sich als roter Faden durch die anschließende Diskussion. Einen regen Austausch zwischen den verschiedenen Initiativen gab es zum Thema Selbstermächtigung und Selbstorganisation.

Viele Diskussionsbeiträge thematisierten den großen Kraftaufwand, den von Armut betroffene Menschen leisten müssen, um sich trotz täglichen Existenzkampf an politischen Prozessen zu beteiligen und sich zu organisieren. Der kostenlose Zugang zu politischer Bildung und die Bereitstellung von Ressourcen zur Vernetzung und Organisation wurden hier als wichtige Schritte zu größerer Teilhabe genannt.

Im Rahmen der Diskussionsrunde kristallisierte sich ferner das Thema „Kommunikation auf Augenhöhe“ zwischen Menschen mit Armutserfahrung und Politiker*innen heraus. Die Forderung nach mehr Zuhören seitens der Politik unterstützte Claudia Bernhard (Die Linke, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft) ausdrücklich und plädierte für mehr Gespräche, um Verständigungsschwierigkeiten und eingefahrene Verhaltensmuster abzubauen. „Es gibt durchaus Verbündete in der Politik“, so Bernhard.

Die Vertreter*innen der Initiative ALSO aus Oldenburg sprachen von positiven Erfahrungen bei der Vernetzung auf kommunaler Ebene: So ließen sich schneller Verbündete finden und trotz geringer Ressourcen politisch vor Ort etwas Konkretes bewegen. Ähnliches berichtete Ralph Saxe (Die Grünen, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft) aus einer Initiative zur Einrichtung von öffentlichen Trinkwasserbrunnen in Bremen, in der ein breites Bündnis unterschiedlichster Interessengruppen erfolgreich kooperiert hatte.

In der Zusammenarbeit mit „Professionellen“ von Organisationen und Verbänden berichteten einige Aktive aus den Initiativen jedoch auch von einer gewissen Stigmatisierung von Menschen mit Armutserfahrung. Diese Diskussionsbeiträge beklagten „paternalistisches Kümmern“ oder die Missachtung von Fachkompetenzen von armutsbetroffenen Menschen. Hier wurde die Forderung an Politiker*innen und Professionelle von Wohlfahrtsverbänden geäußert, „Betroffene“ als Expert*innen der eigenen Situation auf Augenhöhe anzuerkennen. Zum Abschluss der Veranstaltung wurde ein weiterer Kontakt zwischen vielen Teilnehmer*innen vereinbart und zahlreiche Kontaktdaten ausgetauscht.

Hier ist die Einladung der Abschlussveranstaltung als pdf abrufbar: hier klicken.
Dirk Dymarski (Selbstvertretung wohnungsloser Menschen) hat ebenfalls einen Bericht zu dieser Veranstaltung geschrieben: hier klicken.
Wir danken Norbert Brandt (Selbstvertretung wohnungsloser Menschen) für seine Fotos.