Autor: michael.gerhardt

Armin Hein (Café fifty e.V.): Offen für alle!

Das Café fifty – Verein für soziale Arbeit und Kultur e. V. im bayerischen Obernburg am Main im Gespräch mit denkhausbremen. Die Initiative wurde vertreten durch Armin Hein, der seit der Neugründung 2014 dabei ist. Er engagiert sich in der Sozialberatung und ist als Rentner eingestiegen. (Das Beitragsbild zeigt von links: 1. Vereins-Vorsitzender Stefan Engels, Verwaltungs-Fachkraft Chris Katholi, Armin Hein) denkhausbremen: Geben Sie uns doch einen Einblick in die Beweggründe und die Entstehungsgeschichte des Café fifty?  Armin Hein: Das Café fifty wurde im Oktober 2006 vom Diakonischen Werk Untermain eröffnet, um vor allem arbeitssuchende Menschen zu unterstützen. Bei Kaffee und Kuchen zu sozialen Preisen wird bei Formularen, Stellen- und Wohnungssuche geholfen. Ein solches Sozialcafé war neu in der Region Obernburg und es gab viele Aufs und Abs. Dazu gehört auch, dass das Café einige finanzielle Untiefen durchlebt hat. So entstand auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmen letztendlich 2014 der eigene Trägerverein, in dessen Konzept von Anfang an auch das Repair Café ein wesentlicher Bestandteil war. Der Name Cafe fifty kam übrigens daher, dass alles 50 …

Linda Rennings (Heimatlos in Köln): Wir machen obdachlose Frauen zum Thema!

Linda Rennings von Heimatlos in Köln e.V. im Gespräch mit denkhausbremen. Linda Rennings ist die Gründerin des Vereins, der sich für obdachlose Frauen und Mädchen engagiert. Wie wurde Heimatlos in Köln ins Leben gerufen? Linda Rennings: Ich habe diesen Verein aus eigener Erfahrung gegründet – für obdachlose Frauen und Mädchen mit Hund. Es gibt viele obdachlose Frauen auf den Straßen, die leider kein Thema in der Öffentlichkeit sind. Das wollte ich ändern. Nach meiner Ausbildung zur Genesungsbegleiterin war es mir ein Anliegen mich besonders für Frauen einzusetzen. Ich bewege mich seit 2006 hier in Köln in der (Obdachlosen)-Szene, was mir einen ganz guten Durchblick verschafft. Aber natürlich lerne ich auch stetig dazu und bilde mich weiter. Darüber hinaus bin ich übrigens bei der ältesten Straßenzeitung in Köln, dem „Draußenseiter“, tätig. Dort schreibe  ich auch aus der Perspektive meines Hundes Clayd über unseren gemeinsamen Alltag. Mittlerweile hat Clayd einen großen Fan-Club. Schreiben ist für mich eine Form von Therapie. So bin ich als die Kölsche Linda zu einer Institution geworden, was letztendlich auch ein günstiger Ausgangspunkt …

Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen: “Wir sind keine Stellvertreter, sondern vertreten unsere Interessen selbst.”

Gudrun Steenken und Joachim Barloschky vom Bremer Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen im Gespräch mit denkhausbremen. Gudrun Steenken ist psychologische Psychotherapeutin und war in zahlreichen Leitungsfunktionen in der bremischen evangelischen Kirche tätig. Joachim Barloschky war langjährig in der APO- und Friedensbewegung engagiert und als Quartiersmanager der Großsiedlung Tenever aktiv. Beide gehören zu den Gründungsmitgliedern des Aktionsbündnisses.  Wie wurde das Aktionsbündnis ins Leben gerufen? Gudrun Steenken: Ich habe viele Jahre bei einer evangelischen Beratungsstelle gearbeitet und blickte von meinem Arbeitszimmer auf die Domsheide-Kreuzung, einem zentralen Verkehrsknotenpunkt in Bremen. Aus dieser Perspektive lernte ich viele Menschen, die dort leben und Flaschen sammeln, vom Sehen kennen. Als ich in Rente ging, öffnete die Liebfrauengemeinde ab Winter 2010 die Kirche für arme und obdachlose Menschen. Das war für eine etablierte Innenstadt-Gemeinde nicht selbstverständlich. Wir Bürgerlichen haben nicht nur Kaffee und Brot verteilt, sondern kamen mit den Menschen ins Gespräch. So lernte ich meine Fensterbekanntschaften richtig kennen. Das war für mich sehr sinnstiftend. Diese „Winterkirche“ war eingebettet in ein gemeinsames Projekt der Bremischen Evangelischen Kirche „Armut und Reichtum in der Stadt“. …

Ottmar Miles-Paul (ISL): Wenn es eine Selbstvertretung behinderter Menschen nicht gab, mussten wir das halt selbst gründen.

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) ist die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen mit Sitz in Kassel. denkhausbremen hat mit dem langjährigen Aktiven und ISL-Projektkoordinator Ottmar Miles-Paul im Februar 2020 vor Ort dieses Gespräch geführt. denkhausbremen: Wie sind Sie zu Ihrem Engagement bei der ISL gekommen? Ottmar Miles-Paul: Das ist schon ungefähr 33 Jahre her. Ich kam aus meiner Arbeiterfamilie in einem schwäbischen Dorf nach Kassel zum Studium. Wir befinden uns Behinderten-politisch im Umfeld Mitte der 80er Jahre: Das „Gepäckwagen-Zeitalter“ bei der Deutschen Bahn, in dem Rollstuhlfahrer*innen im Gepäckabteil des Zuges befördert wurden, hatten wir schon überwunden. In Kassel gab es damals eine (!) Blindenampel, sonst gab es für Sehbehinderte wie mich fast nichts. Eine Selbstvertretung behinderter Menschen gab es schon gar nicht. Es gab nur einen „Betüddel-Verein“ Behinderte und ihre Freunde; das war im Grunde der vom Gesundheitsamt betreute Kaffeetrink-Verein. Ich habe als Seh- und Hörbehinderter schnell gemerkt, dass man aneckt mit seiner Behinderung und die Alltagsgestaltung doch schwer sein kann. Ich habe mich daher mit einigen Mitstudenten mit …

Zwölf Beiträge für eine nachhaltige Bioökonomie

Im Aktionsforum Bioökonomie engagieren sich viele deutsche Umwelt- und Entwicklungsorganisationen für eine ökologische und sozial gerechte Bioökonomie. Nun hat dieses Aktionsforum zwölf aktuelle Diskussionsbeiträge für eine nachhaltige Bioökonomie veröffentlicht. Bioökonomie ist eine Wirtschaft jenseits von fossilen Rohstoffen. Eine Bioökonomie kann aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsverbände jedoch nur dann einen wichtigen Beitrag zur Lösung unserer globalen Herausforderungen leisten, wenn alle Aspekte unseres globalen Wirtschaften auf den ökologischen und sozialen Prüfstand kommen. Die Bioökonomie-Debatte bietet die Chance, dass zentrale Zukunftsfragen hier zusammenlaufen: Derzeit werden wichtige Diskussionen, wie wir in Zukunft leben und wirtschaften wollen, völlig unabhängig voneinander geführt. Dies betrifft Klimaschutz, Artenvielfalt und globale Gerechtigkeit, die auch bei uns vor der Haustür anfängt. Die zwölf Diskussionsbeiträgen der Umwelt- und Entwicklungsverbände für eine nachhaltige Bioökonomie finden sich auf dieser Website sowie als PDF zum Download.

Sylvia Brennemann (Mieterinit. Marxloh): 1500 Menschen haben ihren Wohnraum erhalten!

Die beiden Bürgerinitiativen “Gegen den Häuserabriss in Duisburg-Marxloh” und “Mieterinitiative Zinkhüttensiedlung Duisburg” konnten nach ihren Angaben den Wohnraum von insgesamt 1.500 Betroffenen vor Ort erhalten. denkhausbremen hat mit Sylvia Brennemann, die maßgeblich diese Initiativen mitkoordiniert hat, dieses Gespräch geführt. Das Interview fand am 18. November 2019 im Sozialpastoralen Zentrum Petershof in Duisburg-Marxloh statt. denkhausbremen: Wie entstand das Engagement der Betroffenen in Duisburg-Marxloh gegen den Abriss ihrer Häuser? Sylvia Brennemann: In 2003 kam das Projekt “Grüngürtel Duisburg-Nord”, das von Thyssenkrupp und der öffentlichen Hand (Stadt, Land NRW, Bund und EU) getragen wurde. Für die Schaffung von neuen Grünflächen sollte gut ein Fünftel aller Gebäude hier in Marxloh dem Erdboden gleich gemacht werden. Da haben wir mit einer aktiven Gruppe von Marxloher*innen gemeinsam mit den konkret betroffenen Menschen diesen Flächenabriss verhindert. denkhausbremen: Wie sah der Widerstand gegen dieses Projekt konkret aus? Sylvia Brennemann: Eine Gruppe alteingesessener Marxloher*innen hat einfach die Wut gepackt. Wir sind dann gemeinsam durch die betroffenen Straßen gegangen, haben Flyer verteilt, auf den die Kontaktdaten der zuständigen Bezirksvertreter*innen aufgelistet waren, mit dem Hinweis: “an …

Die Zukunft gehört allen!

Die Zukunft gehört allen! Von Michael Gerhardt und Peter Gerhardt „Die Kultivierung der Abstiegsangst seit der Einführung der SGB II-Gesetze (Hartz 4)  hat viel Schaden an der Demokratie angerichtet.” Diese kluge Analyse stammt nicht etwa von einem renommierten Thinktank, sondern von der Initiative Armutsnetzwerk aus Berlin. Unsere Gesellschaft ist deshalb gut beraten, nicht nur der gerade sehr lauten Klimabewegung zuzuhören, wenn zentrale Zukunftsfragen öffentlich verhandelt werden… An vielen Stellen unserer Gesellschaft wird derzeit diskutiert, wie wir in Zukunft leben wollen und welchen Lebensstil unser Planet überhaupt noch zulässt. In vermeintlichen Fachkreisen heißt das dann die sozial-ökologische Transformation. Zahlreiche Parteien und Verbände organisieren dazu in schöner Regelmäßigkeit hochkarätig besetzte Konferenzen. Politische Profiteure davon sind vor allem Die Grünen, die in aktuellen Umfragen gar als Kanzlerpartei gehandelt werden. Schüler*innen protestieren als „Fridays For Future“-Bewegung lautstark in unseren Metropolen für mehr Klimaschutz und sorgen damit für zusätzlichen Dampf im Kessel. Alle diese Protagonisten sind gut organisiert, bestens vernetzt und sorgen derzeit in Medien und Öffentlichkeit für größtmögliche Aufmerksamkeit. Eine Bevölkerungsgruppe wird an dieser Zukunftsdiskussion kaum aktiv beteiligt: Menschen …

„Menschen mit Armutserfahrung als Experten der eigenen Situation anerkennen“

Zur Abschlussveranstaltung des Projekts „Zukunftslabore von unten“ unter dem Motto „Wie einkommensschwache Menschen sich selbst organisieren, selbst vertreten und so an der Gesellschaft teilhaben…“ konnte das denkhausbremen-Projektteam zahlreiche Vertreter*innen der am Projekt beteiligten Initiativen am Mittwoch, 08. Mai 2019, in Bremen begrüßen. Die Aktiven der Selbstvertretung wohnungsloser Menschen, des Armutsnetzwerks sowie von ALSO Oldenburg diskutierten gemeinsam mit interessierten Bürger*innen und Bremer Politiker*innen den Themenbereich Partizipation und Engagement von Menschen mit geringem Einkommen. Nach einem Grußwort durch die Präsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Antje Grotheer, gab Projektleiter Michael Gerhardt in einem Impulsreferat einen Überblick über die Projektergebnisse und stellte die im Projektverlauf besuchten Initiativen vor. „Wichtig ist als erster Schritt eine veränderte Selbstwahrnehmung und öffentliche Wahrnehmung von Menschen mit Armutserfahrung – als kompetente Akteure, und nicht als Betroffene oder Opfer“, betonte Michael Gerhardt. Dazu müsse ein niederschwelliger Zugang zu politischer Bildung für Menschen mit wenig Einkommen gewährleistet werden, damit eine Selbstermächtigung erfolgen könne. Darüber hinaus sei es notwendig, dass eine Initiative eine stabile Gruppe von Aktiven habe, die sich langfristig mit einem Kernthema beschäftige. Ferner sei dann …

Erika Biehn (VAMV): Ich möchte ein Sandkorn im Getriebe sein!

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) wurde 1967 als „Verband lediger Mütter“ gegründet. Er vertritt heute bundesweit die Interessen von 2,7 Millionen Einelternfamilien, von Familien also, in denen ledige, getrennte, geschiedene oder verwitwete Eltern mit ihren Kindern leben. denkhausbremen hat mit der Vorsitzenden Erika Biehn am 15.4.2019 in Essen dieses Interview geführt. Erika Biehn hat darüber hinaus die Nationale Armutskonferenz (nak) mitgegründet. denkhausbremen: Wie ist Ihr Verband gegründet worden? Erika Biehn: Der Verband ist 1967 in Herrenberg von Luise Schöffel, einer ledigen Mutter, die gleichzeitig Lehrerin und Ratsherrin war, gegründet worden. Die Situation für ledige Mütter war damals noch sehr anders und sie hatten oft gesellschaftlich und rechtlich einen schweren Stand. Das ging teilweise bis zur Wegnahme des Kindes, weil ihnen nicht zugetraut wurde, ihre Kinder eigenständig ordentlich großzuziehen. Das kann natürlich heute auch noch geschehen, aber nicht mehr nur weil die Mutter alleinerziehend und unverheiratet ist. Da hat sich schon einiges geändert. Frau Schöffel hat damals in einer überregionalen Zeitung eine Anzeige geschaltet und über 100 Zuschriften zurückbekommen, mit zum Teil extremen …

Erwerbslosenparlament Meck.-Pomm.: Unsere Arbeit wird anerkannt und geachtet!

denkhausbremen hat Karl-Heinz Figas und Jürgen Kehnscherper vom Erwerbslosenparlament Mecklenburg-Vorpommern am 01.02.2019 in Schwerin besucht und dieses Interview geführt. [Die Fotos zeigen Projektleiter Michael Gerhardt (Mitte) mit Karl-Heinz Figas (links) und Jürgen Kehnscherper (rechts) vor dem Haus der Begegnung in Schwerin.] denkhausbremen: Wie kam es zur Gründung des Erwerbslosenparlamentes? Karl-Heinz Figas: Die Idee kam zu den Zeiten der Montagsdemos gegen Arbeitslosigkeit und Armut Ende der 90er Jahre auf. Einige Betroffene hier aus Mecklenburg-Vorpommern haben dann 1998 die Gründung eines Erwerbslosenparlaments tatsächlich realisiert. Uns gibt es also seit nunmehr 21 Jahren. denkhausbremen: Gibt es etwas Vergleichbares noch an anderer Stelle? Karl-Heinz Figas: Ein Erwerbslosenparlament ist auch in Thüringen entstanden. Das ist aber anders aufgestellt. Wir hier organisieren alles selbst ohne große Hilfe von der Politik. In Thüringen laden die Politiker/innen zum Arbeitslosenparlament ein. Unterstützung bei der Gründung hier in Mecklenburg-Vorpommern gab es u.a von Seiten der Gewerkschaften, von Bündnis 90/Die Grünen und von Wohlfahrtsverbänden. Wir sind sehr froh, dass wir mit Jürgen Kehnscherper auch den KDA (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt) an Bord haben, da der …