Alle Artikel in: bioökonomie-debatte

Best Practice: Pioniere einer nachhaltigen Bioökonomie?

In der praktischen Anwendung zeigt sich, welche Möglichkeiten die Bioökonomie bereitstellen kann. Damit diese zu einer sozial-ökologischen Transformation beitragen, braucht es allerdings veränderte politische Rahmenbedingungen. Bei der zweiten Tagung des Projektes „Bioökonomie im Lichte der Nachhaltigkeit“, die am 10. und 12. November 2020 stattfand, drehte sich alles um Beispiele aus der Bioökonomie-Praxis. Inwiefern können Unternehmen und Forschungsprojekte als Pioniere zum Gelingen der Bioökonomie im Kontext einer sozial-ökologischen Transformation beitragen – und wo laufen sie Gefahr, lediglich Feigenblatt einer nicht-nachhaltigen wachstumsfixierten Wirtschaftsweise zu sein? Dieser Frage gingen die TeilnehmerInnen aus Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, wissenschaftlichen Instituten und Fachbehörden nach. Der aktuelle Zustand der weltweiten Ökosysteme ist sehr besorgniserregend. Äcker und Wälder sind chronisch übernutzt und die biologische Vielfalt schwindet rapide. Die industrielle Landnutzung ist laut Weltbiodiversitätsrat IPBES der wesentliche Treiber für das aktuelle Artensterben. Wie die Umstellung der Wirtschaft von fossilen auf biogene Rohstoffe im Zuge der Bioökonomie zu einer Lösung dieser Probleme beitragen soll und ob es nicht vielmehr eine Veränderung der politischen Rahmenbedingungen bräuchte, war Gegenstand intensiver Diskussionen auf der Tagung. denkhausbremen und der BUND …

Dirk Scharmer: Strohballenhäuser – am Lebensende Kompost

Dirk Scharmer im Gespräch mit denkhausbremen über den Bau von Strohballenhäusern, Bioökonomie und einen notwendigen Bewusstseinswandel innerhalb der Gesellschaft. Dirk Scharmer ist Architekt bei DELTAGRÜN in Lüneburg. Seit 2002 begleitet er Strohballenbauvorhaben in ganz Deutschland. denkhausbremen: Herr Scharmer, Strohballenhäuser gelten als besonders nachhaltig. Warum eigentlich? Dirk Scharmer: Stroh ist ein Nebenprodukt, das bei der Erzeugung von Getreide entsteht. Indem wir Stroh als Baustoff verwenden, wandeln wir es in ein Produkt um, das wir jahrzehntelang nutzen können. Dadurch ersetzen wir andere, wesentlich energieintensivere Produkte und sparen knapper werdende Ressourcen, wie beispielsweise Holz. Hinzu kommt, dass ein vernünftig gebautes Strohballenhaus über die gesamte Lebensdauer von etwa 200 Jahren enorm viel CO2 speichern kann. Das wirkt sich natürlich positiv auf die Ökobilanz aus. Der Bau und der Betrieb eines Strohballenhauses sind insgesamt mit einem sehr geringen Energieaufwand verbunden. Das liegt zum Beispiel daran, dass Stroh ein guter Dämmstoff ist und im Gegensatz zu den meisten anderen Baustoffen nicht weiterverarbeitet werden muss, bevor es als Baumaterial eingesetzt werden kann. Anhand eines Beispiels kann ich das verdeutlichen: Ein typisches, strohgedämmtes …

Biodiversität in Gefahr

Studie von denkhausbremen und BUND untersucht mögliche Auswirkungen der Bioökonomie Bioökonomie könnte zum Brandbeschleuniger des ohnehin schon dramatischen Artensterbens werden, wenn nicht sofort konsequent gegengesteuert wird. Das ist die beunruhigende Quintessenz der heute veröffentlichten Studie “Bioökonomie im Lichte der planetaren Grenzen und des Schutzes der biologischen Vielfalt”, in der denkhausbremen und der BUND die Auswirkungen der Bioökonomie auf den Biodiversitätsschutz in den Fokus rücken. Die beiden Autoren – Dr. Joachim Spangenberg (BUND) und Wolfgang Kuhlmann (denkhausbremen) – fassen die wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum schlechten Erhaltungszustand vieler Arten und Ökosysteme in Deutschland zusammen. Insbesondere die industrielle Landwirtschaft ist demnach ein wesentlicher Treiber des Artensterbens. Aber auch die naturferne Bewirtschaftung vieler Waldökosysteme erfolgt auf Kosten der Biodiversität. Die Studie gibt zudem einen detaillierten Einblick in den aktuellen Stand der Biomassenutzung in Deutschland und leitet daraus mögliche Chancen und Risiken für eine zukünftige Bioökonomie ab. Das ernüchternde Fazit: Ein Ersatz fossiler Rohstoffe durch Biomasse ist keine Option – zumindest wenn der Rohstoffverbrauch nicht drastisch heruntergefahren wird. Zu begrenzt sind die verfügbaren Flächen, zu immens wären die Umweltschäden im …

Kein Raubbau im Wald für eine falsche Energiewende

Gemeinsame Stellungnahme deutscher Umwelt-und Entwicklungverbände zu Holz-Biomasse   Hier Stellungnahme als pdf downloaden Wälder sind für den Schutz der Artenvielfalt und unseres Klimas unersetzlich, sie bilden die Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Pflanzen. Dennoch sind die globalen Waldökosysteme bedroht. Die Ursachen dafür sind vielfältig – vom illegalen Holzeinschlag über die Expansion von Agrarflächen bis hin zum hohen Rohstoffbedarf der Papier- und Zellstoffindustrie. In der Folge werden Wälder kahlgeschlagen, übernutzt oder in artenarme Nutzholzplantagen umgewandelt. Jetzt geraten die Wälder zusätzlich im Namen des Klimaschutzes unter Druck. Ein Grund dafür ist die falsche Entscheidung der EU, das Verbrennen von Holz als klimaneutral zu werten. Damit wird den EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, Holzbiomasse für die Strom- und Wärmeproduktion als Klimaschutzmaßnahme zu subventionieren. Es ist nun zu befürchten, dass auch in Deutschland die energetische Nutzung von Holzbiomasse in großem Maßstab weiter gefördert wird. Die Bundesregierung will noch im Jahr 2020 maßgebliche Gesetze und Verordnungen dafür auf den Weg bringen: Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wird im Bundestag beraten. Im Gesetzesentwurf ist eine höhere Förderung von aus Biomasse erzeugtem Strom vorgesehen …

Wollen wir artenreiche Kulturlandschaften oder Einöde? 

Teja Tscharntke im Gespräch mit denkhausbremen über Bioökonomie, Landwirtschaft und Artenvielfalt. Der Soziologe und Biologe ist seit 1993 Professor für Agrarökologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Er ist im deutschsprachigen Raum der am meisten zitierte Ökologe. denkhausbremen: Ist die Bedeutung der Biodiversität ausreichend im Fokus der Öffentlichkeit oder wird dieses Thema zu Unrecht von der Klimadebatte überlagert? Teja Tscharntke: Sicher ist die Klimadebatte besonders durch Fridays for Future sehr präsent in der Öffentlichkeit, was aber nicht heißt, dass dem Artensterben keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der dramatische Rückgang der Insektenpopulationen hat  schließlich Volksbegehren nach sich gezogen, deren Forderungen zumindest teilweise von der Politik aufgegriffen worden sind. Auch im Rückblick wird die aktuell zunehmende Relevanz deutlich. Als ich 1993 in Göttingen meine Professur angetreten habe, war das Thema Biodiversität weder in der Wissenschaft noch in der Gesellschaft präsent. Wenn in der Landwirtschaft über Umweltbelastung geredet wurde, spielten Überdüngung, Gewässerverunreinigung oder die negativen Auswirkungen von Pestiziden eine Rolle. Artensterben hingegen war damals noch ein sehr marginales Thema. Bei der Klima-Debatte haben viele mittlerweile eine Vorstellung von den groben Zusammenhängen. …

Workshop on the State of Bioeconomy Policies in the EU

On the 6th of October 2020, denkhausbremen / German NGO Working Group on Bioeconomy organised an online workshop that aimed to inform environmental NGOs from Germany and abroad as well as the interested public about recent developments within bioeconomy policies in the EU. The workshop was moderated by Jonas Daldrup from denkhausbremen and gave voice to various EU experts that explored how different strategies and decisions at EU level, such as the European Green Deal and decisions on the EU budget 2021-2027, affect the further development of the bioeconomy. Peter Gerhardt, director at denkhausbremen, welcomed the participants and started off the workshop by pointing to the necessity of addressing fundamental problems in our economy and a warning about simply switching from fossil to organic. The first speaker, Luke Edwards – Climate Change and Land Use Policy Officer at BirdLife Europe – looked into the consequences of EU funds and financial decisions for bioeconomy policies. He explained that next to the European Structural and Investment Funds and the Common Agricultural Policy, especially „Horizon Europe“ will become …

Keine neue Weltformel

Die Folgen der Bioökonomie für die Biosphäre Von Peter Gerhardt Die Menschheit wird in Zukunft stärker auf nachwachsende Rohstoffe angewiesen sein. Nur wenn alle Aspekte unseres Wirtschaftens auf den ökologischen und sozialen Prüfstand kommen, kann die biobasierte Ökonomie einen Beitrag zur Lösung der globalen Herausforderungen leisten. Die aktuelle Debatte um die Bioökonomie trifft auf eine Öffentlichkeit, für die die natürlichen Grenzen unseres Planeten zunehmend ins politische Bewusstsein rücken. Denn nicht nur das Ende der fossilen Rohstoffe ist absehbar, auch mineralische Ressourcen sind nur begrenzt verfügbar. Themen wie Klimawandel und Artenverlust sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und mobilisieren Massenproteste sowie in Bayern 1,8 Millionen Wähler*innen beim Volksbegehren „Rettet die Bienen”. Gleichzeitig werden große Teile der Bevölkerung von enthemm- ten Märkten vor sich hergetrieben, die bis dahin ungekannte gesellschaftliche Fliehkräfte freisetzen. Wir befinden uns in einem globalen Verteilungskampf, der die internationale Ordnung zunehmend destabilisiert. Der Politik gelingt es kaum noch, die heutige Art der Profitökonomie wirksam einzuhegen. Um so attraktiver klingt das Versprechen der Bioökonomie, auf viele dieser globalen Probleme eine angemessene Antwort geben zu …

Bioökonomie: Erwartungen eindampfen

Der vollständige Ersatz fossiler durch nachwachsende Rohstoffe ist quantitativ nicht möglich. Soll die Bioökonomie nachhaltig ausgerichtet werden, erfordert das die Transformation des derzeit auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystems. Die erste Tagung des vom Bundesamt für Naturschutz geförderten und von denkhausbremen in Zusammenarbeit mit dem BUND durchgeführten Projekts “Bioökonomie im Lichte der Nachhaltigkeit” fand am 7. und 10. September 2020 statt. Neben VertreterInnen der relevanten Umwelt- und Entwickungsverbände nahmen auch ExpertInnen aus Wissenschaft, Fachbehörden und Politik teil. Sie diskutierten den Status Quo von Land- und Forstwirtschaft im Hinblick auf den Erhalt von Biodiversität und mögliche Rohstoffpotenziale für eine zukünftige Bioökonomie. Ute Feit vom Bundesamt für Naturschutz machte deutlich, dass Artenvielfalt in den Diskussionen um die Bioökonomie bislang nur unzureichend adressiert wird. Zugleich wurden auch Zielkonflikte thematisiert und erörtert, die sich aus unterschiedlichen Nutzungsansprüchen an die zur Verfügung stehenden Flächen – wie Biomasseproduktion, Klima- und Biodiversitätsschutz – ergeben. Im ersten Vortrag stellen Joachim Spangenberg (BUND) und Wolfgang Kuhlmann (denkhausbremen) die Ergebnisse ihrer Studie dar, dass wenn wir die biologische Vielfalt in Deutschland verbessern wollen, dies auch im Rahmen …

Europäischer Grüner Deal – keine Mondlandung

Europäischer Grüner Deal und EU-Bioökonomie-Strategie drücken sich vor notwendigen Systemveränderungen Von Jana Otten und Peter Gerhardt  In Zeiten der sich verschärfenden globalen Krisen sind neue Antworten gefragt. Die Weltgemeinschaft ist zunehmend gespalten in Arm und Reich, die Umweltzerstörung – und mit ihr der Verlust der Artenvielfalt – schreitet voran und die Erde heizt sich weiter auf. Der sogenannte “europäische Grüne Deal” liefert eine Antwort auf die Klimakrise – zumindest soweit man denn den vollmundigen Versprechen der EU-Kommission glauben schenken mag. Aber ist dieser europäische Grüne Deal wirklich ein Grund zum Aufatmen? Werden die lauten Rufe von Klimabewegung und -Wissenschaft nach einer radikalen Emissionssenkung endlich in politische Konzepte übersetzt? Und welche Rolle spielt dabei die Bioökonomie, die ebenfalls einen ökologisch-sozialen Umbau der Wirtschaft in Aussicht stellt? Vor ungefähr einem Dreivierteljahr, am 11. Dezember 2019, wurde der europäische Grüne Deal mit großen Worten in Brüssel vorgestellt. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen überschlug sich dabei mit Superlativen und sprach von einem historischen Moment, der mit der Mondlandung gleichzusetzen sei. So könnten die Klimakrise bekämpft, Wohlstand gesichert und Arbeitsplätze …

René Röspel, SPD: Gerechtigkeit und Fortschritt miteinander verbinden

René Röspel im Gespräch mit denkhausbremen über Bioökonomie und über die Rolle der SPD beim ökologischen Umbau. René Röspel ist für die SPD im Deutschen Bundestag und ist Ordentliches Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.  denkhausbremen: Herr Röspel, wie sind Sie in ihrer parlamentarischen Arbeit mit dem Thema Bioökonomie befasst? René Röspel: Ich war in unserer Fraktion Berichterstatter für die Arbeitsgruppe „Bildung und Forschung“ bis diese Aufgabe von meinem Kollegen Rainer Spiering übernommen wurde. So bin ich mit dem Thema in Berührung gekommen, das aber eher nur einen Promillebereich von meiner Arbeitszeit ausmacht. Dann beobachten Sie die Debatte mit einem ungetrübten Blick von der Seitenlinie. Wie beurteilen Sie die Bioökonomie aus dieser Perspektive? Ich bin Biologe und finde es grundsätzlich gut, wenn die Menschheit natürliche Systeme versteht und verantwortbar nutzt. Daraus ergeben sich Chancen, aber vielleicht auch der Irrglaube, dass Bioökonomie schon alle Probleme lösen werde. Deshalb müssen wir die Bioökonomie verantwortungsvoll gestalten, damit sich letztendlich die Chancen durchsetzen können. Ist das Versprechen der Bioökonomie realistisch, unseren Lebensstandard aus dem fossilen Zeitalter jetzt mit …