Alle Artikel in: Interview

Katharina Ebinger: Verbände raus aus der Komfortzone

Katharina Ebinger ist Vertreterin der BUNDjugend in der Wissenschaftskommission und der AG Suffizienz des BUND und Beisitzerin im BUND-Landesvorstand Baden-Württemberg. Sie studiert Politik, Verwaltung und internationale Beziehungen in Friedrichshafen am Bodensee. denkhausbremen: Die Umweltverbände haben sich professionalisiert, aus einer sozialen Bewegung sind festere Strukturen mit gut funktionierenden PR-Abteilungen geworden. Was halten Sie von dieser Entwicklung? Katharina Ebinger: Es kommt drauf an, wovon genau wir sprechen. Wenn wir unsere Zusammenarbeit und die Ansprüche, die wir an unsere Arbeit stellen, professionalisieren, dann finde ich das gut. In den Jugendverbänden versuchen wir immer wieder zu reflektieren, wie wir arbeiten und welche Strukturen und Methoden wir nutzen sollten. Statt purem Aktionismus auch diese Dinge im Kopf zu haben, halte ich für sehr wichtig. Professionalisierung kann aber auch bedeuten, dass Verbände weniger basisdemokratisch arbeiten und stattdessen immer mehr einer Stiftung oder Agentur ähnlich werden. Diese Entwicklung sehe ich kritisch, da eine intransparente und hierarchische Art zu arbeiten tendenziell den Regeln des bestehenden Systems folgt und so systemerhaltend wirkt. Damit kommen wir an die Symptome der Probleme vielleicht heran, gehen aber …

Julia Balz: Naturschutz und Wachstum hängen zusammen

Julia Balz ist Referentin für Strategische Planung Umweltpolitik und Nachhaltigkeit beim NABU Bundesverband. denkhausbremen: Die großen Umweltverbände haben sich über die Jahre immer weiter professionalisiert und feste Strukturen entwickelt. Sie sind bereits längere Zeit hauptamtlich für den NABU tätig. Welche Veränderungen haben Sie in dieser Zeit wahrgenommen? Julia Balz: Der NABU ist in den letzten Jahren, die ich dort beschäftigt bin, sehr gewachsen. Das betrifft die Zahl der Mitglieder und Förderer, aber auch der Mitarbeitenden, auch im Fachbereich Naturschutz und Umweltpolitik, in dem ich tätig bin. Dazu habe ich den Eindruck, dass bestimmte gesellschaftliche Themen heute eine größere Rolle spielen. Diskussionen um Postwachstum und sozial-ökologische Transformation stehen in den letzten Jahren neben klassischem Naturschutz auch auf der Agenda. Die Beschäftigung mit diesen Themenfeldern nimmt zu, beim NABU wie auch in der gesamten Umweltszene. Da liegt etwas in der Luft. Können Sie das konkret an etwas festmachen? Gibt es Projekte in diese Richtung? Das fängt mit Türgesprächen zwischen Kolleg*innen an. Teilweise bringen unsere jüngeren Referent*innen diese Ansätze direkt von der Uni mit. Sie werden aber auch …

Larissa Donges: Jugendverbände können Stachel im Fleisch sein

Larissa Donges ist Bildungsreferentin für Umwelt und Nachhaltigkeit in der Bundesgeschäftsstelle der Naturfreundejugend Deutschlands. In Potsdam hat sie ehrenamtlich einen Gemeinschaftsgarten mitgegründet, in dem sozial-ökologische Transformation für sie beim Gärtnern und Imkern ganz praktisch erlebbar wird. denkhausbremen: Die Umweltverbände haben sich im Laufe der letzten Jahrzehnte professionalisiert und feste Strukturen entwickelt. Wie ist das zu beurteilen? Larissa Donges: Das hat Vor- und Nachteile. Je professioneller und größer Institutionen oder Verbände werden, umso starrer können sie auch werden. Festgelegte Abläufe können natürlich eine Arbeitserleichterung sein und Professionalität bringt oft größere Sichtbarkeit, dafür laufen Prozesse aber auch langsamer und weniger spontan. Man kann nicht mehr ohne große Abstimmung auf Themen reagieren. Ein Teil der Professionalisierung besteht auch darin, dass die Umweltverbände sich auf ihr gesellschaftliches Klientel und die Medien eingespielt haben. Sie suchen pragmatisch gemeinsam mit Unternehmen nach Lösungen. Fällt so nicht grundsätzliche Systemkritik hintenüber? Es arbeiten zwar nicht alle Umweltverbände mit Unternehmen zusammen. Aber es braucht aufgrund der vielen Erwartungshaltungen an die Umweltverbände immer mehr Mut, um unbequeme Fragen zu stellen. Das passiert dann, zumindest im …

Nina Treu: Die Degrowth-Bewegung ist fast noch gar nicht institutionalisiert

Nina Treu ist Mitbegründerin des Konzeptwerk Neue Ökonomie in Leipzig und koordiniert aktuell die Degrowth-Sommerschule 2018.  denkhausbremen: Die Umweltverbände blicken auf eine lange Verbandsgeschichte zurück und haben sich zunehmend professionalisiert. Wie schätzt Du die Umweltbewegung ein? Nina Treu: Aus meiner Sicht sind die großen Umweltverbände immer noch relevante Player. Sie setzen u.a. noch zahlreiche Dinge im Bereich Umweltbildung- und -gesetzgebung um, die man nicht unterschätzen sollte. Sie sollten jedoch darauf achten, dass sie nicht zu systemimmanent und reformerisch werden. Sie sollten Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch sehen, sondern Soziales und Ökologisches zusammen denken. Wie sieht das denn in der Postwachstumsbewegung aus? Gibt es hier nicht auch schon Machtstrukturen und Alphatiere? Zunächst ist die Frage, von wem man spricht. Die Umweltverbände lassen sich leicht einrahmen, bei der Degrowth-Bewegung ist das viel schwieriger. Einzelpersonen, die unter dem Label Postwachstum auftreten, kann man daher nicht mit offiziellen Sprecher*innen von Umweltverbänden vergleichen. Meiner Meinung ist die Degrowth-Bewegung fast noch gar nicht institutionalisiert. Das Konzeptwerk macht zwar viele Projekte im Bereich Degrowth. Die Ausgestaltung der Projekte verläuft jedoch sehr basisdemokratisch. Die …

Harald Welzer: Wen interessiert denn der rechte Rand?

denkhausbremen: Was halten Sie vom Paradigma des stetigen Wachstums? Harald Welzer: Nichts. Unsere Probleme, die jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderts überdeutlich werden, bestehen im Wesentlichen in der Übernutzung der vorhandenen Ressourcen infolge eines fortgesetzten Wirtschaftswachstums. Das geht auf die expansive Kultur eines kleinen Teils der Welt zurück. Wir sind in einer globalen Situation, die dem Wachstumspfad folgt – und die Folgen sind erwartbar dramatisch. Welche Maßnahmen sollten konkret implementiert werden, um der von Ihnen geschilderten Entwicklung Rechnung zu tragen? Implementieren wird man das nicht können. Es geht um einen politischen und kulturellen Wandel – da kann man jetzt nicht einfach Maßnahmen aus dem Hut zaubern. Wir benötigen dringend politische Rahmenbedingungen, die nachhaltiges Wirtschaften fördern. Es muss aufhören, immer noch mehr Konsumartikel an den Mann und an die Frau zu bringen und weitere Infrastrukturen bereitzustellen sowie höhere Energieaufwände zu produzieren. Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen müssten von staatlicher Seite Vorteile genießen. Konkret benötigen wir eine steuer- und ordnungspolitische Neuausrichtung sowie eine nachhaltige öffentliche Beschaffung. Für mich gibt es z.B. keine Rechtfertigung, warum die Automobilindustrie ein Tempolimit auf …

Norbert Reuter: Es geht nicht nur um höhere Einkommen

Norbert Reuter im Gespräch mit denkhausbremen über das Verhältnis der Gewerkschaften zur Wachstumskritik, die Notwendigkeit von Arbeitszeitverkürzungen und was er sich von den Umweltverbänden wünschen würde. Er arbeitet im Bundesvorstand von ver.di und ist dort Leiter der Grundsatzabteilung Tarifpolitik. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Norbert Reuter kritisch mit Wachstumsfragen und der Entwicklung von Industriegesellschaften. Von 2011 bis 2013 war er sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ des Deutschen Bundestages.  

Helmut Holzapfel: Neue Mobilität – Mit weniger mehr erreichen

Helmut Holzapfel ist Stadtplaner, Bauingenieur und Verkehrswissenschaftler. Seine Schwerpunkte sind integrierte Verkehrsplanung sowie Mobilitätsentwicklung. Er leitet das Zentrum für Mobilitätskultur in Kassel. Zuvor war er u.a. Professor für Verkehrsplanung in Kassel. denkhausbremen: Sie haben sich als Wissenschaftler mit den Themen Mobilität und Verkehrsplanung auseinandergesetzt. Was ist Ihre Vision für die Mobilität der Zukunft? Helmut Holzapfel: Wir müssen eine andere Mobilitätskultur entwickeln, die wir gerade in den urbanen Zentren gut umsetzen können. Mobilität bedeutet ja nicht ,,weit herum zu fahren“, sondern dass wir räumliche Ziele erreichen wollen. Das Konzept einer „Stadt der kurzen Wege“ setzt das planerisch gut um. Eine neue Mobilitätskultur bringt ein anderes Verhalten mit sich – also zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs zu sein statt mit dem Auto. In Städten wie Amsterdam ist das schon heute gut möglich. Der öffentliche Raum bekommt dort sofort wieder einen höheren Stellenwert, mit vielen positiven Auswirkungen. Auf der anderen Seite wird der motorisierte Verkehr natürlich abgewertet. Meine Vision wäre es, in einer Stadt der kurzen Wege den Autoverkehr auf maximal die Hälfte zu verringern und gleichzeitig …

Christoph Heinrich: Strategisch wichtige Unternehmen transformieren

Christoph Heinrich ist als Vorstand des WWF Deutschland zuständig für die Naturschutzarbeit. Zuvor leitete er beim NABU Bundesverband bis 2004 den Fachbereich Naturschutz und Umweltpolitik. Der Diplom-Geograph ist seit seiner Jugend ehrenamtlich im Naturschutz tätig und Mitglied zahlreicher Naturschutzorganisationen. denkhausbremen: Wie sind Sie zum Naturschutz gekommen? Christoph Heinrich: Ich bin im Grunde genommen seit meiner Kindheit im Naturschutz aktiv. Schon im Alter von zehn Jahren bin ich in den NABU eingetreten, bin dann immer dabei geblieben und hab das zu meinem Beruf gemacht. Wie haben Sie die 1970er Jahre erlebt? Der Club of Rome brachte die Studie “Grenzen des Wachstums” heraus. War das in der damaligen Naturschutzszene ein Thema? Absolut! Aber beim damaligen Vorgänger des NABU, dem deutschen Bund für Vogelschutz, gab es auch Irritationen. Aus Sicht der Naturschützer gab es jetzt eine Bewegung, die aus Umweltschutz was Politisches machen wollte. Viele traditionelle Naturschützer wollten sich jedoch aus der Politik lieber raushalten. Gleichwohl war das Thema interessant, neu und aufregend. Man konnte Avantgarde sein, wenn man über Naturschutz und Ökosysteme sprach. Zusätzlich sorgte der Ölschock …

Olaf Tschimpke: Planetarische Grenzen sind entscheidend

Olaf Tschimpke im Gespräch mit Denkhaus Bremen. Er ist Geograph und seit Juni 2003 Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Darüber hinaus ist er stellvertretender Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung. Denkhaus Bremen: Sie führen den NABU seit 2003 als Präsident und sind schon seit Jahrzehnten bei diesem Umweltverband aktiv. Lassen Sie uns mit einem Rückblick beginnen. Bereits 1972 veröffentlichte der Club of Rome seinen Bericht „Grenzen des Wachstums“. Wurde dieses Thema damals auch im NABU diskutiert? Olaf Tschimpke: 1972 war ich selbst noch nicht hauptamtlich für den NABU tätig. Im Ehrenamt hat das zu der Zeit keine Rolle gespielt, außer im privaten Umfeld derjenigen, die sich dafür interessiert haben. Der NABU hieß noch Deutscher Bund für Vogelschutz und die breitere Themenaufstellung ist erst später erfolgt. Diese geschah unter dem Einfluss der wachsenden Natur- und Umweltschutzbewegung und der allgemeinen gesellschaftlichen Debatte, die von den „Grenzen des Wachstums“ mit angestoßen wurde. Es hat bei uns dann noch eine ganze Weile gebraucht, sich als klassischer Naturschutzverband auch für umwelt- und gesellschaftspolitische Fragen zu öffnen. In der …

Niko Paech: An Postwachstum führt kein Weg vorbei

Niko Paech im Gespräch mit Denkhaus Bremen über Postwachtumsökonomie und wie sich die Umweltverbände für die Zukunft aufstellen sollten. Er war bis 2016 Professor am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt der Universität Oldenburg. Seit 2016 lehrt er im Rahmen des Masterstudiengangs Plurale Ökonomik an der Universität Siegen. Niko Paech hat ab 2016 das Konzept der Postwachstumsökonomie in die Diskussion eingeführt. Er skizziert darin ein Wirtschaftssystem, das nicht auf Wirtschaftswachstum angewiesen ist, sondern sich durch Wachstumsrücknahme auszeichnet.