Autor: Peter

Leander Scholz: Die SPD braucht eine neue Vorstellung von Gemeinsinn.

Leander Scholz im Gespräch mit denkhausbremen über die Zukunft der SPD. Leander Scholz lebt als Schriftsteller und Philosoph in Berlin. denkhausbremen: In den 70er Jahren war die Hochzeit der Sozialdemokratie. Ein einfacher Arbeiter konnte sich einen Neuwagen erwirtschaften, das Bruttosozialprodukt stieg ständig und die Länder des globalen Südens wurden nur als Rohstofflieferanten wahrgenommen. Funktioniert Sozialdemokratie nur unter bestimmten Voraussetzungen? Leander Scholz: In den 70er Jahren gab es sicherlich bestimmte Faktoren, die eine ökonomische Inklusion breiter Bevölkerungsschichten leichter gemacht haben. Als Folge davon gab es eine Bildungsexpansion – auch Kinder aus Arbeiterfamilien konnten auf einmal studieren. Dieser Wohlstand basierte natürlich auch auf ausgeblendeten Faktoren. Das war eigentlich auch damals schon klar; der Bericht des Club Of Rome (“Die Grenzen des Wachstums“ von 1972) lag schon vor, und das ökologische Desaster hatte sich bereits abgezeichnet. Die Bedingungen zum Aufbau des damaligen Sozialstaates sind daher heute so nicht wiederholbar. Man muss den Gemeinsinn der 70er mit seiner breiten Inklusion für die heutige Zeit weiterentwickeln. Wie stellen Sie sich das vor? Die Hauptschwierigkeit ist heute, dass die Gesellschaft insgesamt viel …

Waldzerstörung für Papier in den Fokus rücken

Gast Beitrag von Sini Eräjää (aus dem Englischen) Während die Aufmerksamkeit zu Recht auf Palmöl, Soja und andere Agrarrohstoffe als Ursachen für weltweite Waldzerstörung gerichtet sind, bleiben viele Problem unter dem Radar der Öffentlichkeit. So sind  Papierprodukte für einen massiven industriellen Holzeinschlag und die weltweite Ausbreitung von Monokultur-Holzplantagen verantwortlich. Millionen Hektar Wald werden in artenarme Baumwüsten umgewandelt, um Zellstoff zu produzieren. Während immer mehr Wälder für die Herstellung von Konsumgütern wie Palmöl, Soja und Rindfleisch zerstört werden, rücken die Ursachen der weltweiten Waldvernichtung zunehmend ins Bewusstsein von Entscheidungsträgern. Es ist zu hoffen, dass die Bemühungen zur Problemlösung im Zentrum des kommenden EU-Aktionsplans gegen Entwaldung stehen werden. Weniger wahrgenommen wird die Gefährdung, die von der Degradierung von Wäldern und dem damit verbundenen Waldverlust ausgehen. Global Forest Watch hat versucht, Ausmaß und Auswirkungen dieser Art von Waldverlust deutlich zu machen. Dabei hat sich herausgestellt, dass  2017 fast 30 Millionen Hektar Wald verloren gegangen sind  – eine Fläche von der Größe Italiens. Eine frühere Analyse zeigt, dass etwa 27 Prozent des Waldverlustes durch dauerhafte Abholzung geschieht, die große …

Umwelt- und Entwicklungsverbände veröffentlichen Erklärung zur Bioökonomie

Was die Bundesregierung derzeit unter dem Begriff Bioökonomie verhandelt, hat aus unserer Sicht das Potenzial, Menschen- und Sozialrechte weiter auszuhöhlen und die Umweltzerstörung zu beschleunigen. Eine Wirtschaft, die verstärkt nachwachsende Rohstoffe einsetzt, kann nur dann nachhaltig sein, wenn dies mit einer sozial-ökologischen Transformation einhergeht. Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen fordern deshalb von der Bundesregierung eine Neuausrichtung der nationalen und europäischen Bioökonomie-Strategien. Mit der „Politikstrategie Bioökonomie“ und der „Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030“ hat die Bundes- regierung ihre Vorstellungen und Förderziele für eine Wirt- schaft festgelegt, die auf biologischen Rohstoffen basiert. Im Wesentlichen sollen demnach fossile Rohstoffe Eins-zu-Eins durch Biomasse ersetzt werden. Eine Abkehr vom energie- und rohstoffintensiven Wirtschaftsmodell ist nicht vorgesehen. Bioökonomie muss ökologisch verantwortungsvoll und sozial gerecht sein Wir wollen, dass sich grundsätzlich etwas ändert. Nach unserem Verständnis sollte die Ökonomie dem Aufbau einer sozial gerechten Gesellschaft dienen und dabei die ökologi- schen, planetaren Grenzen einhalten. Dazu bietet die Diskus- sion um Bioökonomie eine gute Möglichkeit. Nur wenn wir den Ressourcenverbrauch in allen Bereichen der Wirtschaft deutlich verringern, werden wir den Bedarf an biologischen Rohstoffen …

Hans-Jürgen Thies, CDU: Rohstoffimporte für Bioökonomie vermeiden

Hans-Jürgen Thies im Gespräch mit denkhausbremen. Hans-Jürgen Thies ist für die CDU im Deutschen Bundestag und ist ordentliches Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft.  denkhausbremen: Was verbinden Sie mit Bioökonomie? Hans-Jürgen Thies: Global denken, lokal handeln. Es ist zwar schon ein bisschen abgedroschen, hat aber an Gültigkeit nichts verloren. Wir müssen als hochentwickeltes Land eine Vorreiterrolle bei der Bioökonomie spielen. Wir haben durchaus viele Ressourcen im wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich, um neue Wege anzugehen. Daher kommt uns eine besondere Verantwortung zu. Als hochentwickelte Industrienation verbrauchen wir natürlich auch mehr Ressourcen als Länder, die sich noch in der Entwicklung befinden. Darüber hinaus müssen wir konkrete Ziele definieren, damit wir wissen, welche Wege wir einschlagen müssen. Nennen Sie doch mal ein konkretes Ziel als Beispiel… Es ist zwar banal, aber wir müssen erreichen, dass das Leben auf unserer Erde auch noch in 100 oder 200 Jahren für die Menschen lebenswert ist. Weitere Zeitsprünge auf 500 oder 1.000 Jahre wage ich nicht zu beschreiten. Ich komme selbst aus der Landwirtschaft, habe hier Jahrzehnte Erfahrung und weiss, dass es in Land- und …

Harald Ebner, Grüne: Lobbymacht der Wirtschaft bei Bioökonomie ausgleichen

Harald Ebner im Gespräch mit denkhausbremen. Ebner ist seit 2011 für Bündnis 90/Die Grünen Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecher seiner Fraktion für Bioökonomie-, Gentechnik- und Waldpolitik. denkhausbremen: Wie schätzen Sie die aktuelle Diskussion zum Thema Bioökonomie ein? Harald Ebner: Es gibt gar nicht so viele Leute, die sich damit auskennen. Das fängt schon mit der Frage an: Was ist überhaupt Bioökonomie? Ich sage dann immer: Alles was mit biobasierter Wirtschaft zu tun hat. Das ist ein sehr weiter Oberbegriff, der schnell zu Missverständnissen führen kann. Eröffnet die Bioökonomie-Debatte eher Chancen oder überwiegen die Risiken? Jede Interessengruppe nutzt einen unklaren Begriff wie Bioökonomie für ihr Anliegen, Forschungsmodell oder wirtschaftliches Geschäftsmodell. Egal, über welchen Teil von Bioökonomie ich mich unterhalte, im Zentrum steht doch, dass wir unsere Wirtschaft auf die postfossile Zeit vorbereiten müssen. Wir müssen Bioökonomie unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betreiben, nur dann ergibt sie Sinn. Was verstehen Sie konkret unter Nachhaltigkeit? Bioökonomie heißt, dass ich in einer biobasierten Wirtschaft alle Rohstoffe und Energie mit biologischen Prozessen zur Verfügung stelle. Das hängt mit Anbau- und …

Rainer Spiering, SPD: Regionale Egosimen bei der Transformation überwinden

Rainer Spiering im Gepräch mit denkhausbremen. Seit 2013 ist er für die SPD im Bundestag und in dieser Legislaturperiode wurde er in seiner Fraktion zum Sprecher der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft gewählt.  denkhausbremen: Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie das Wort Bioökonomie hören? Sehen Sie eher Chancen oder Risiken? Rainer Spiering: Der Begriff Bioökonomie ist innerhalb des politischen und wirtschaftlichen Betriebs entglitten und zu einem Zauberwort geworden, in das man alles reinpackt, was man glaubt reinpacken zu müssen. Wenn wir uns wieder darauf fokussieren würden, dass wir nachwachsende Rohstoffe für Produkte mit geringeren CO2-Emissionen verwenden, dann sind wir am richtigen Punkt. Historisch betrachtet hat der Kohlebergbau sehr lange einen großen Mehrwert für die Bevölkerung geschaffen. Nach dem zweiten Weltkrieg führte der Bergbau besonders im Ruhrgebiet zu großem wirtschaftlichen Erfolg. Über 20 Jahre lang hat diese Region den Rest der Republik mit ernährt. Den Transformationsprozess – weg von der Kohle im Ruhrgebiet – hätte man durchaus früher steuern können. Wenn heute dagegen andere Regionen wirtschaftlich erfolgreich mit regenerativen Energien sind, dann sollten sie auch weitere Landesteile …

Bioökonomie: Noch mehr Hunger nach Waldprodukten

Beitrag von László Maráz. Er ist u.a. Koordinator der Plattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung und Mitbegründer der Organisation Pro Regenwald. Holz, Fasern, Öle, Eiweiße, Stärke und Zucker aus dem Wald und der Landwirtschaft gelten im Rahmen der Bioökonomie als die wichtigsten Materialien, die fossile Rohstoffe ersetzen sollen. Mit der Begründung, die Wirtschaft unabhängiger von fossilen Energieträgern zu machen, werden Milliarden an Forschungsgeldern bereitgestellt, um neue Anwendungsmöglichkeiten auch für Biomasse aus Wäldern zu entwickeln. Dabei wird zuweilen der Eindruck erweckt, Wälder böten ein riesiges und noch ungenutztes Potenzial, das man mithilfe neuer Technologien nur noch in Wert setzen müsse, um den wachsenden Rohstoffhunger zu stillen. Wälder und fruchtbare Ackerflächen sind aber eine knappe Ressource. Die meisten Wald- und Agrarprodukte werden bereits heute für andere Zwecke verbraucht. Eine Ausweitung der Produktion stößt an harte ökologische, soziale und wirtschaftliche Grenzen. Beispiel Bioraffinerie: Chemiefabrik auf Holzbasis Bioraffinerien gelten als einer der Hoffnungsträger im Zukunftsmarkt der Bioökonomie. So wurde am ehemaligen Petrochemie-Standort Leuna eine Pilotanlage errichtet, die aus Holz verschiedene chemische Grundstoffe herstellt. Dafür wird das Holz mit Wasser …

Franz-Theo Gottwald: Industrielle Bioökonomie ist ein totalitärer Ansatz

Franz-Theo Gottwald ist Honorarprofessor, Lehrbeauftragter, Autor zahlreicher Publikationen und Vorstand der Schweisfurth Stiftung. In seinem Buch „Irrweg Bioökonomie“ kritisiert er  – gemeinsam mit Anita Krätzer – die Bioökonomie-Stragegie der Bundesregierung und warnt vor einer weiteren Ökonomisierung der Natur.    denkhausbremen: Die Industrie macht sich im Zuge der Bioökonomie-Debatte endlich Gedanken um einen Ausstieg aus den fossilen Energien und den Umstieg auf biogene Rohstoffe. Nun kommt die Umweltbewegung schon wieder daher und kritisiert das? Was würden sie dem entgegnen? Franz-Theo Gottwald: Ich glaube es gibt sehr wenig Verbindendes zwischen agrarökologischen Zukunftsvorstellungen und einem industriell bioökonomischen Leitbild. Zu dem Wenigen gehört, dass es für alle in Zukunft um eine postfossile oder gar klimapositive Landwirtschaft gehen muss. Angesichts der derzeitigen Klimaschäden, die die industrielle Landwirtschaft zu verantworten hat, ist es ja im Grundsatz gut, dass es zumindest eine gemeinsame Stoßrichtung gibt: den Schutz des Klimas. Danach gibt es aber die große Divergenz zwischen intensivierter Landnutzung zu Zwecken der Biomassemehrung und den Umwelt- oder Naturschutzzielen. Was meinen Sie mit der großen Divergenz? Agrarökologische Arbeit beruht auf dem Respekt vor …

Bioökonomie – die neue Nebelwand aus der PR-Abteilung

Was haben Biobäuerin und Chemiekonzern gemeinsam? Beide machen in Zukunft Bioökonomie – zumindest, wenn es nach den Strategen der Industrie geht. Diese fassen die Klammer weit, um möglichst viel unter dem Oberbegriff “Bioökonomie” abhandeln zu können – oder sollte man besser sagen, verschleiern zu können? Bioökonomie ist demnach “die Erzeugung und Verwertung biologischer Ressourcen für Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in allen wirtschaftlichen Sektoren im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems.” Mehr geht nicht. Dahinter könnte die Absicht stecken, Genmais à la Monsanto mit einer bioökonomischen Tarnkappe auszustatten. Und so durch die Hintertür auf die Äcker der Republik zu bringen, obwohl der in der Bevölkerung so beliebt ist wie Fußpilz. So gesehen müssten in den PR-Abteilungen der Chemie-Giganten eigentlich die Sektkorken knallen, wenn der Begriff “Bioökonomie” möglichst inflationär in Umlauf kommt. Eine Industrie mit chronischen Akzeptanzproblemen bekäme so eine Glaubwürdigkeits-Frischzellenkur, weil diese mit dem Ökobauer in einen Bioökonomie-Topf geworfen würde. Die Klammer Bioökonomie wird vom PR-Sprech der Lobby noch weiter genutzt: “Die Menschheit macht ja schon immer Bioökonomie”, so geht der Singsang bei einem weiteren semantischen Kunstgriff, um …

denkhausbremen startet Bioökonomie-Projekt

Das Zeitalter der fossilen Rohstoffe neigt sich dem Ende zu. Auch der Vorrat an weiteren Bodenschätzen ist endlich und erschöpft sich zusehends. Die Menschheit wird verstärkt auf nachwachsende Rohstoffe zurückgreifen müssen. Für eine mit biogenen Ressourcen gespeiste Wirtschaft hat sich der Begriff Bioökonomie etabliert. Auf nationaler und europäischer Ebene haben Politik und Wirtschaft bereits finanziell großzügig ausgestattete Forschungsprogramme implementiert und Bioökonomie-Strategien erarbeitet. Die Diskussionen über politischen Weichenstellungen und die Formulierung von Forschungszielen finden bislang weitgehend exklusiv in wissenschaftlichen Fachkreisen statt. Bis auf wenige Ausnahmen sind die bundesdeutschen Umwelt- und Entwicklungsverbände dort nur rudimentär eingebunden. Auch die Einrichtung eines Bioökonomierates konnte die NGO-Partizipation nicht maßgeblich steigern. Es ist zu befürchten, dass eine mögliche Bioökonomie die Ökonomisierung der Natur weiter vorantreibt und biogene Ressourcen auf ihren wirtschaftlichen Nutzen reduziert. Damit einher geht die Gefahr einer kontinuierlichen Expansion von industrieller Land- und Forstwirtschaft zu Lasten des Umweltschutzes. Zudem bringt der Rückgriff auf Biomasse nicht zwangsläufig einen sparsamen Ressourceneinsatz mit sich. Die notwendige ökologische Transformation kann nur gelingen, wenn fossile Rohstoffe nicht einfach eins zu eins durch biogene Rohstoffe …